piwik no script img

Warten auf das Massaker

■ Die Lage in Bihać wird mit jeder Nachricht unklarer

Zagreb/Berlin (wps/taz) – Konkrete Informationen über die Lage in der UN-Schutzzone Bihać gab es auch an diesem Wochenende nur wenige. Als sicher kann jedoch inzwischen gelten, daß die serbischen Truppen die Stadt, in der sich rund 70.000 Einwohner aufhalten, fast ganz eingeschlossen haben. Allein eine Straße, die im Norden aus Bihać herausführt, wird weiterhin von der bosnischen Armee kontrolliert – und dient daher inzwischen als Fluchtweg.

Nach Angaben des Bürgermeisters von Bihać herrscht in der Stadt Panik und Verwirrung. Die meisten Menschen könnten nicht einschätzen, was passieren wird. Viele rechnen mit Massakern und hätten die Nacht daher auf offener Straße zugebracht. Es würden Barrikaden aus Möbeln gebaut, die durch ganz Bihać verliefen.

Eine UNHCR-Mitarbeiterin berichtete dagegen telefonisch aus Bihać, die Straßen seien wie leergefegt. Alle Bewohner hätten sich in die Keller zurückgezogen. „Vor wenigen Tagen waren die Leute wütend, weil die UNO nicht in der Lage war, sie zu beschützen. Heute habe ich überall nur verzweifelte, weinende Menschen gesehen.“

Viele Eltern haben ihre Kinder in das städtische Krankenhaus gebracht, da sie hofften, dort „Sicherheit und Nahrung“ zu finden. Doch nun wird gerade hier heftig gekämpft, eine Evakuierung der rund zweitausend Menschen ist kaum möglich. Rund um das Krankenhaus haben Blauhelmsoldaten aus Bangladesch Stellung bezogen.

Unterdessen sollen sich die Kämpfe immer mehr dem Stadtzentrum nähern. Unklar war jedoch, ob die Serben ihr Artilleriefeuer eingeschränkt haben und es nun verstärkt zu Mann-gegen- Mann-Kämpfen kommt. UN-Angaben zufolge gibt es innerhalb der Stadt Schußwechsel aus Maschinengewehren sowie in der Umgebung der Stadt Artilleriefeuer. Hart umkämpft ist auch der im westlichen Stadtteil liegende Militärflughafen. Obwohl die rund dreihundert Soldaten der bosnischen Armee, die sich in Bihać aufhalten, kaum mehr über Verteidigungsmittel verfügen, gibt es noch keine Anzeichen für die von der serbischen Führung geforderte Kapitulation.

Insgesamt kontrollieren die Serben ein Drittel der Enklave Bihać mit ihren rund 200.000 Einwohnern. Alle Ortschaften südlich der Stadt sind von ihren Soldaten eingenommen und niedergebrannt worden. Der serbische Generalstabschef Manojlo Milovanović drohte den Verteidigern von Bihać das gleiche Schicksal an: „Wenn ihr nicht auf mich hört (und kapituliert, d. Red.), kann ich nicht für euer Überleben garantieren.“ her

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen