Waren des täglichen Bedarfs auf Facebook: Neosexuell vernetzt
Während Facebook 2011 Revolutionen ermöglichte, postet man in Deutschland lieber seine eigenen Banalitäten – wie Clips, Fotos, Bücher und mehr.
Das Wort "Facebook" kam 2011 in der taz 840 Mal vor. Die Kapitalmedien führten sogar die "Arabellion" (FAZ) auf dieses "soziale Netzwerk" zurück – und sprachen von einer ganzen "Facebook-Generation". Inzwischen hat der Wille zum Aufstand auch die russische und amerikanische Jugend erfasst. Hierzulande schämen sich jedoch besonders ältere Intellektuelle, "Facebook-Friends" zu werden.
Die Polemiken, etwa von Wiglaf Droste, gegen die dabei benutzten Simplizitäten – wie "Gefällt mir" und "Anstupsen" – hören nicht auf. Heuer kamen dazu noch Kritiken der Datenschützer. Viele "User" meldeten sich deswegen ab, was nicht so einfach ist wie das Anmelden: "Es gibt da einen Link, mit dem das funktioniert. Man darf aber nicht kontrollieren, ob es geklappt hat, denn die Bedingung ist, dass man 14 Tage nicht auf Facebook geht, weil sonst die Einstellungen alle automatisch wieder aktiviert werden", so eine Aussteigerin in der taz.
Ich bin seit Beginn der arabischen Aufstände passives "Facebook-Member", kriege seitdem in Kneipen Sätze wie "Ich muss unbedingt meinen Facebook-Auftritt verbessern" mit und füge meinem "Facebook-Konto" täglich neue "Friends" hinzu. Mitunter wird das von alten kritisiert: "Warum gerade dieses Arschloch?" Darauf kann ich keine Antwort geben, weil ich kaum eines kenne.
Wenn ich mir die täglich etwa 80 eingehenden "Posts" und "Statusmeldungen" sowie ihre "Kommentierungen" und "Teilungen" angucke, fällt sofort ein Unterschied zur arabischen Facebook-Kommunikation auf: Dort wird Tacheles geredet, weil die Leute in den brunzdummen und korrupten Medien ihrer Schweineregimes in keiner Weise Berücksichtigung finden und sich ihre Aufstände gerade gegen diese richten.
Hier postet man dagegen ausschließlich Waren des täglichen Bedarfs in der neosexuellen Vergnügungsgesellschaft: Filme, Clips, Photos, Bücher, Platten etc. Selbst da, wo man über das soziale Netzwerk zusammenkommt und Scheiße baut, das heißt aktiv und vielleicht sogar revolutionär wird, nimmt das die Form eines Warenspektakels an: nämlich auf "Facebook-Partys", die jedesmal einen irren Schaden anrichten, weswegen irgendwelche Politikerärsche sie auch prompt unter Strafe stellen wollen.
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