Wandel mit Uralt-Antlitz in Kuba: Raúls Buena Vista Socialista Club
In Kuba hat Fidel Castros Bruder Raúl die Präsidentschaft übernommen. Männer der alten Revolutionsgarde und Parteiveteranen sollen Reformaufgaben meistern.
Kuba hat einen neuen Staatschef. Wie erwartet tritt Raúl Castro die Nachfolge von Fidel an. Ihm zur Seite stehen jedoch nicht junge Nachwuchspolitiker sondern die Opas der Revolution.
Historicos, so werden die alten Helden der Revolution in Kuba genannt, und eigentlich schien ihre Ära langsam vorbei. Doch mit Juan Almeida und José Ramón Machado Ventura finden sind gleich zwei politische Dinosaurier unter den sechs Vizepräsidenten, die Raúl Castro fortan zur Seite stehen. Und José Ramón Machado Ventura steht an prädestinierter Stelle, denn der Arzt und Erziehungsbeauftragte der Revolution ist erster Stellvertreter Raúl Castros. Eine kleine Überraschung, denn der als orthodoxer Parteikader geltende Machado Ventura ist mit seinen 77 Jahren alles andere als jung und reformfreudig.
Dabei hatten sich viele Kubaner nach den letzten Essays Fidel Castros auf Vertreter der jüngeren Generation unter den Stellvertretern des Staatschefs eingestellt. Kubas abgetretener Máximo Líder hatte schließlich geschrieben, dass er der Jugend nicht länger im Wege stehen wolle. Doch der engste Führungszirkel um Raúl Castro, eben die Vizepräsidenten, ist alles andere als progressiv besetzt. Neben den beiden historicos Almeida und Machado Ventura sind die beiden altgedienten Generäle, Abelardo Colomé Ibarra und Julio Casas Regueiro, sowie der schwarze Parteiideologe Esteban Lazo zu Stellvertretern von Raúl berufen worden. Das gilt auch für Carlos Lage, der jedoch als Einziger aus diesem Sextett als reformfreudig gilt.
Oppositionelle in Havanna sehen darin ein ernüchterndes Signal. So interpretiert Vladimiro Roca von der Sozialdemokratischen Partei Kubas die Wahl Machado Venturas als Indiz für eine "harte Linie". Auch Elizardo Sánchez von der kubanischen Kommission für Menschenrechte und Versöhnung sieht die neue Regierung in eindeutiger Kontinuität der alten: "Ich sehe keine Änderungen, der Totalitarismus wird fortgesetzt", sagte der Sozialdemokrat gegenüber einer Nachrichtenagentur. Im Gegensatz dazu mahnt der unabhängige Journalist und Ökonom Oscar Espinosa Chepe zu Geduld. Er betrachtet den von Raúl Castro in Aussicht gestellten Wandel mit "moderatem Optimismus".
In seiner Rede vor dem Parlament kündigte der neue kubanische Staatschef spürbare Änderungen in den kommenden Wochen an. Dann sollen die ersten "Verbote fallen, die einst ergriffen wurden, um eine neue Ungleichheit zu verhindern", so der 76-Jährige. Welche Verbote Raúl Castro dabei im Visier hat, ließ er zwar offen, aber kubanische Sozialwissenschaftler plädieren seit langem für mehr ökonomische Freiräume und mehr Privatinitiative. "Es ist idiotisch, dass der Staat den Bedarf von jedem popeligen Friseursalon plant", wird am Forschungsinstitut der kubanischen Wirtschaft (CEEC) argumentiert.
Bisher haben es Kubas Kleinunternehmer ausgesprochen schwer, so Juan de Marcos González. Der Musikproduzent, der vor zehn Jahren den Buena Vista Social Club mit aus der Taufe hob, kritisiert schlechten Service und hohe Preise auf der Insel. Diese Bedingungen haben dazu geführt, dass er das Büro seines Musikverlags nach Mexiko verlegen musste. "Kubanische Unternehmer sind bisher nicht vorgesehen", klagt der 55-Jährige.
Das könnte sich unter Raúl Castro bald ändern. Die überfälligen Reformen im Agrarbereich gelten als weitgehend beschlossen und daran sollte auch die orthodoxe Besetzung der obersten Führungsetage kaum etwas ändern. Die Einbindung aller Fraktionen in die politische Führung ist schließlich seit der Übergabe der Macht von Fidel an Raúl Programm. Kontinuität und Ruhe sind seitdem oberste Pflichten der Berufsrevolutionäre in Kuba.
Selbst die historicos können sich dem Reformdruck von unten kaum verschließen. Seit Raúl Castro im Sommer 2007 die Kubaner aufforderte, Debatten und Kritik "ohne Ängste irgendeiner Art" zu führen, ist auch dem letzten Parteikader klar, dass es keine Alternative zu Reformen gibt. Zudem steht Raúl persönlich gemeinsam mit Carlos Lage, der in den letzten Monaten immer wieder als Kronprinz genannt wurde, für ökonomische Reformen.
Demokratische Reformen, wie US-Außenministerin Condoleezza Rice am Sonntag von der Regierung in Havanna einforderte, stehen hingegen nicht auf der Agenda des jüngeren Castro. Allerdings hat er die USA bereits im Dezember 2006 um direkte Verhandlungen ohne Vorbedingungen gebeten.
Die hat Demokratenkandidat Barack Obama der Regierung in Havanna in Aussicht gestellt. Ob sie kommen werden, wird sich in einigen Monaten zeigen.
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