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Wand und BodenLiebevolle Nachsicht im Umgang mit dem Exponat

■ Kunst in Berlin jetzt: 25 Jahre Anselm Dreher, Künstler zeigen Künstler, Hulda Hakon

Wenn es eine Art Halbwertszeit der Moderne gibt, dann hat Anselm Dreher seine Galerie um diesen Zeitpunkt des Verfalls angesiedelt. Seit 25 Jahren zeigt er Conceptual- und Minimal art, auch wenn zu Beginn noch ein Günther Grass realistische Darstellungen aus dem Leben an der Basis in die Lithomappe des Galeristen und unter die träge Abstraktionswelt eines Joseph Kosuth mogeln durfte. Mit der Zeit sind nur die Konzepte geblieben: „It is it (I)“ verbindet Arbeiten von sieben Künstlern und Künstlerinnen, die an das zeigefreudige Gedankenspiel um den dreifachen Stuhl anknüpfen, den Kosuth auf den Spuren Marcel Duchamps an die Wand gehängt hat. Ange Leccia kehrt dabei ganz zu den Vorgaben des „Urinoir“ zurück. Sein fabrikneues Motorrad versperrt den Vorraum der Galerie und zieht seine Spannung vor allem aus der Betrachtung von außen durch die Galeriescheiben, hinter denen die Maschine zwischen Fetisch- und Gebrauchswert stillgestellt auszuharren scheint. Ohne Funktion, nur als Metapher, und doch noch nicht ganz das Sofa am Straßenrand, daß Virilio im bewegungslosen Auto entdeckte. Eher Hängematte. Der Prothese der Fortbewegung setzt Fritz Balthaus solche der Wahrnehmung entgegen. Drei großformatige Fotografien kreisen um das symbolisch leere Zentrum, an dessen Stelle Löcher, Spiegel und Augen das Abwesende ersetzen. Dem Abbild einer Monstranz fehlt der geweihte Inhalt, eine goldene Leica absorbiert den Blick auf die in der Darstellung blinde Linse. Die gleiche Leerstelle findet sich als gelochter Code auf einem vergrößerten Filmstreifen wieder, der schließlich die Botschaft aus der Turingmaschine mit der technischen Reproduzierbarkeit der Bilderwelt konfrontiert. Wie die beiden Bereiche zueinandergefunden haben, bleibt von Balthaus unbeantwortet. Er hat seine eigene Wahrnehmung als noch zu beweisender Beweisgrund – petitio percipii – aufgezeichnet. Darin sind sich auch die anderen KünstlerInnen einig: It is it. Alles weitere Fragen.

Bis 30.1.: Pfalzburger Straße 80, Di-Fr 15-19, Sa 11-14 Uhr.

In der Galerie Vier hat die Gruppe der ausstellenden Künstler und Künstlerinnen weniger als ideelle Familie denn als Produktionspaarungsgeflecht zusammengefunden. „i.V. – Künstler zeigen Künstler“ verpflichtet den hauseigenen Kreativstamm zur Kuratorentätigkeit, doch die Entdeckungsreisen gehen nur selten über den engsten, wenn nicht intimen Bekanntenkreis hinaus. Mancher Kollaboration sieht man die liebevolle Nachsicht im zärtlichen Umgang mit dem Exponat an. Wo Nele Kleyer mit der Auflösung von Fotografie als längst nicht mehr visueller Einheit arbeitet, hat Georg Zey ihre in geometrischer Form montierten Fragmentpatchworks so in Szene gesetzt, als wollte sie das verlorengegangene Abbild am Ende doch wieder durch einheitliche Objekte ersetzen. Durch diesen Zugriff des Bildhauers wird dem Betrachter eine Menge Arbeit vorenthalten. Auf seltsame Weise bündelt sich die Struktur der Beziehungen in einem Ausstellungsobjekt von Christine Borland, das Bernhard Prinz auserwählt hat. Ihre „Handgemachte Kugelsichere Weste“ kehrt das Verhältnis zwischen Intimität und Schutzvorkehrung am eindringlichsten hervor. Wie ein Nachthemd mit Spitzenapplikationen wirkt die wattierte Panzerung weich, intim und verletzbar, als ob der zu schützende Körper immer schon von einer vermittelnden Handschrift durchdringend umhüllt wäre. Theweleit würde entgegnen, daß die technisch avancierte Frau ihrer Kollegin in der Kunstproduktion vorausgeht. Die Schneiderin näht Uniformen, die Sekretärin setzt Kriegserklärungen auf. Borland und Prinz kehren dieses Verhältnis um.

Bis 23.1. Schwedter Straße 263, Di-Fr 14-19, Sa 11-15 Uhr.

Gleich eine ganze Armee der Liebenden hat Hulda Hakon in der Galerie OZwei aufgereiht. Als Reliefskulpturen einer bunt-bürgerlichen Gesellschaft zieren stereotyp geformte Männlein und Weiblein jedweder Couleur die Wände. Weder in der Größe, noch in der abgeformten Körperhaltung lassen sich die serienmäßigen Modelle unterscheiden, die Fülle der ständigen Wiederholung hat etwas von der traurigen Gleichgültigkeit einer Zigarettenwerbung. Nur in den Farbnuancen von Haar, Haut und Kleidung entpuppt Hakon die Figuren als individuelle Platzhalter. Einen zweiten, ähnlich unscheinbaren Schritt der Differenzierung setzt die Künstlerin auf der Textebene ein. Jedes Konterfei wird von einem beschrifteten Sockel ergänzt. Die Sätze verketten lose aufgeschnappte Alltagskonversation mit abstrakten Gedanken, Cocktailrezepte stehen neben anthropologischen Spekulationen. Auch die Sprache spielt bei der Selbstdefinition eine untergeordnete Rolle: „There must be somebody, somewhere, doing something“ heißt eines der Statements, es könnte von Lawrence Weiner stammen. Das kunstkompatible Zitat bleibt ein Verweis, der sich ebenso schnell wieder im Reigen der Gesprächsfetzen verflüchtigt. Die Frage nach dem Oberkellner im Speiselokal unterscheidet sich von der Frage nach dem Dasein im Oberseminar kaum. Zumindest mit dieser Erfahrung berührt die Kunst beide Bereiche des Lebens. Vom Glauben an die Befreiung des Individuums aus seiner „tragischen“ Vereinzelung seit Mondrian ist auch Hulda Hakon längst abgefallen. Der harmonischen Rückbindung an den Weltgeist steht trotzdem die Gestaltung entgegen. Selbst die gedoppelten Menschenmonster und -modelle sehen mit der Zeit ganz hübsch aus.

„many painted people, life and true stories“, bis 10.1., Oderberger Straße 2, Di-Sa 12-19 Uhr. Harald Fricke

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