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Wand und BodenWünscht man sich die Lila-Pausen-Kuh zurück

■ Kunst in Berlin jetzt: Klaus Killisch, U-Bahn-Kunst, 7 abstrakte New Yorker, Wilhelm Schürmann

Verwundert stellt man immer wieder fest, wie großzügig Galerien gerade im Ostteil der Stadt angelegt sind. Statt Ladenwohnungen dominieren hier Bürgermansarden, statt durch kleine Ku'damm-Würfel irrt der Blick durch ein verschachteltes Labyrinth aus Stellwänden. Die Galerie „Im Kabinett“ lädt eher zum Fußballspielen als zur Kontemplation ein. Klaus Killisch nutzt das Anwesen im Gewerbehof an der Schönhauser Allee Nr.8 als Bühne für sein der späten Romantik entliehenes Menschenbild, das ihm durchweg zum Selbstporträt gerät: Mit Plastiknelken, -lilien und -tulpen umwunden oder bekränzt, schweifen Killischs Projektionen zwischen sexuellen Metamorphosen und Apotheosen umher, kriechen bald als Käfer am Boden oder dirigieren im nächsten Bild den Chor der aufgerichteten Penisse, die dem Kampf von Ich und Über- Ich beiwohnen, konstruktiv verklammert.

Von Blake, Füssli und Auerbach zur Reflektion auf das verlorene Paradies animiert, kreist bei Killisch die phantastische Welt des Erhabenen nicht um die Darstellung der Sorge ums Selbst, dessen Wände zum Wahnsinn bekanntlich nur hauchdünn gemauert sind. Vielmehr läßt er sich zu schwermütigen Betrachtungen eines verlorenen Arkadien hinreißen, das aus voller Melancholie zu DDR-Zeiten noch im Kopf geboren ward. Nun ist der Künstler in einer doppelt entfremdeten Hülle zu Hause, denn „Die Zeiten sind haarsträubend interessant“, wie er es unter ein Bild gesetzt hat, daß ihn mit doppeltem Händepaar zeigt: Eins moralisch erhoben, das andere zum Schutz vors Geschlecht geschoben. Killischs Bilder sind zwischen Ornament und Tragödie im Larvenstadium erstarrt. Gelegentlich ein wenig im Kitsch.

„Verlorenes Paradies“, bis 28.03., Di-Fr14-19Uhr; Sa12-17Uhr

Auf dem U-Bahnhof Alexanderplatz rauscht die meistbefahrene Linie des Ostens zwischen Pankow und Mohrenstraße alle drei Minuten ein. Eilig bewegen sich die Passanten mit Baumarkttüten behängt den Bahnsteig entlang, während des raschen Vormittagsverkehrs unkundige KünstlerInnen und deren organisatorischer Überbau des NGBK an diesem Morgen zum Sektempfang laden. Sie haben quasi als Fels in die brandende Passantenflut meist schlichte, nur selten abwegige Plakate zum Thema Hund ist extra an die Hintergleisflächen gehängt, um bis zum 30.Juni zu beweisen, daß Kunst mit Werbung auch im öffentlichen Raum konkurrieren kann. Betrachtet man allerdings die 32 antikapitalistischen Bilderbollwerke, dann wünscht man sich doch das ein ums andere Mal zumindest den gepflegten Surrealismus der Lila- Pausen-Kuh als buntes Mantra im Schnellverkehr zurück. Eine Collage aus Mops und gewickeltem Säugling senkt sich jedenfalls bleischwer aufs Gemüt. Überhaupt kann doch der angekettete Vierbeiner nichts für den Patriotismus seines leineführenden Herrchens, der zum eigentlichen Hauptmotiv der Plakataktion auserkoren wurde. So finden sich nur wenige traurigschöne Kafkahunde, deren forschendem Blick der Passant hier folgen könnte: Etwa bei Wolfgang Krolow, auf dessen Photo der Schäferhund seinem besten Freund beim Purzelbaum zuschaut. Und Stefan Hofers Entwurf mit hakenentkreuztem Buchstaben-H im weißen Kreis auf nazirotem Grund hätte besser den letzten Schliff im Hause Schirner erfahren.

Täglich zu den üblichen Öffnungszeiten der BVG.

Konkret gibt sich die Kunst der sieben New Yorker abstrakten Maler im Amerika-Haus, doch die Probleme mit dem notwendig unter Mühen beackerten ästhetischen Feld gehören längst der Geschichte an. Als Frank Stella in den sechziger Jahren seine Leinwände zum ersten Mal leidenschaftslos mit schwarzer Farbe mehr anstrich denn bemalte, entflammte ein Streit unter den Kunstkritikern, bei dem sich zeigte, wie weit die Auffassungen über Huhn oder Ei angesichts der Bildproduktion divergierten. 1993 fällt es selbst Olivier Mosset schwer, über eine Reminiszenz des Skandalons hinauszugelangen. Er hat vier unbemalte Nessel-Quadrate aufgehängt, die nur schwerlich in ein Statement über den Nullpunkt der Malerei umschlagen. Ansonsten geht es weniger bilderfeindlich unter den Abstrakten zu. Die gemusterten Streifenbilder von Linda Lewitt schillern in Gelb, Blau und Elfenbein auf gerötetem Grund; bei Winston Roeth schichten sich pfirsichgelb, orange und karminrot, nach den Grundsätzen der Geometrie des goldenen Schnitts in Farbfelder aufgeteilt. Das Problem der Darstellung wird auf die Ebene der handwerklichen Ausführung verlagert. Ein akademischer Kunstgriff. Lediglich die transparenten Konstruktionen aus Drahtglas, die Russell Maltz auf einem schmalen Sims an der Wand drapiert hat, fügen sich ihrer abstrakten Kompositionsweise gegenstrebig. Maltz spielt mit dem Verhältnis von Aufsicht und räumlicher Durchsicht, ordnet die Scheiben im Zusammenspiel von Brechung und Fläche. Das Ensemble vereint alle Projektionen der Einbildungskraft, das ästhetische Feld bleibt, was es ist: ein Denkschema.

7.N.Y., bis 30.3.; Hardenbergstraße 22-24; Mo, Mi, Fr 11-17.30Uhr; Di, Do 11-20Uhr; Sa 11-16Uhr.

Doch es sind ja nicht die Facetten der formalistischen Malerei allein, an denen es Berlin angeblich mangelt. Der hiesige Klan aus behäbigen Verwaltungsmonstren und futterneidenden Kunstvereinen hat den Anschluß ans Nah- und Schnellverkehrsnetz der westdeutschen Kunst-, bzw. Galerieszene verpaßt. Um sich solcher Diskrepanzen zwischen Sein und Schein im zukünftigen Hauptstädtele einmal bewußt zu werden, sollten alle Getreuen des Diskurses vom Ende der Kunst heute um 20 Uhr der Galerie Bruno Brunnet Fine Arts einen Besuch abstatten, wo der Aachener Sammler Wilhelm Schürmann mit einer illustren Dia- Show den geneigten Fachkundigen durch sein gesammeltes Reich der jüngst installierten Zeichen des Betriebs geleiten wird. Schürmann sammelt Kunst, die zwischen Köln, New York und London die Runde macht: Von Cady Nolands spiegelbildnerischer Blockhüttenwand über die freudianisch ausgelegte Liege von Franz West bis zu den kackbraunen de Sade-mäßigen male models von John Miller. Spektakulär oder spekulativ? „Wenn ich eine neue Arbeit suche und dafür eine alte weggebe, dann überprüft das Neue auch immer das Alte“, erklärt Schürmann das durchaus freie Flottieren der Zeichen innerhalb seiner Sammlung. Nachfragen könnten lohnend sein.

„Dirty DataII, heute um 20Uhr, Wilmersdorfer Straße 60/61. Harald Fricke

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