Wand und Boden: Gesteigerter Schwarzweiß-Glamour
■ Kunst in Berlin jetzt: Cecil Beaton, Barbara Klemm, Ludwig Gosewitz und seine isländischen Freunde
Daß Kodak im Rahmen seines Kulturprogramms der Fotogalerie in Friedrichshain nichts Aktuelleres anzubieten hatte als rund drei Dutzend Portraitaufnahmen von Cecil Beaton aus einer Ausstellung von 1980, stimmt erneut bedenklich. Dankenswerterweise ist durch ihren Tod, und den somit allenthalben gegenwärtigen Fotografien von Jacqueline Kennedy als Amerikas einstmalige First Lady, momentan die Empfänglichkeit für Beatons 60er Jahre Schwarzweiß-Glamour einigermaßen hochgesetzt. Allerdings ist es das Foto der „My Fair Lady“ Audrey Hepburn (1963), mit dem sich Multitalent Beaton als Starfotograf sowie Oscar-preisgekrönter Filmausstatter gleich doppelt feiern konnte. Hat er jemals Jackie O. fotografiert? Wahrscheinlich. Maria Callas hat er – 1956. Im schlichten, schwarzen Existentialistenpullover scheint sie eher schöne griechische Bäuerin denn Opern-Diva zu sein. Greta Garbo grinst 1946 überraschend entspannt in die Kamera. Mit angezogenen Beinen thront sie in ihrem New Yorker Hotelzimmer auf einem Stuhl, und es fallen einem vor allem die schiefgelaufenen Absätze ihrer flachen Herrenschuhe auf. Edith Sitwell, an ihrem 75. Geburtstag 1962 fotografiert, ist eine Foto-Ikone. Mit Portraits aus Sitwells Jugend nebst denen ihrer Brüder gelangte der 22jährige Beaton schon 1926 zu Ruhm und zur Vogue. In deren Studios in Paris fotografierte ihn Dr. Erich Salomon 1935 bei der Arbeit. Acht Neuabzüge dieser Reportage hat die Berlinische Galerie zur Ausstellung beigesteuert und sie damit glücklich über das Niveau der Kodak- Kultur gehievt. Ein riesiges Studio, riesige Scheinwerfer, eine ebenso riesige Plattenkamera und mittendrin Beaton, für die paar verlorenen Modells posierend; das Licht korrigierend. Ein letzter prüfender Blick vor der Aufnahme, vorgebeugt, mit hängender Krawatte: der schöne Beaton, ganz und gar manischer Arbeiter.
Bis 25. Juni, Di-Fr 11-18, Sa 14-18 Uhr, Helsingforser Platz 1, Friedrichshain
Portraits sind auch Barbara Klemms Fotografien in der Galerie von der Tann. Nicht im exakt genrespezifischen Sinne, aber ihre fotojournalistischen Arbeiten über Land und Leute bleiben immer Einzelaufnahmen, zeigen nicht die kleinste Tendenz zur Serie, zum Film. Ihre Fotos sind „bildmäßig“ konstruiert, eigentlich ein Widerspruch zur Reportagefotografie, die unwillkürlich die Zufälligkeit des sogenannt entscheidenden Augenblicks betont. Der Moment vor oder nach dem Auslösen des Kameraverschlusses, der Blickwinkel näher oder ferner, höher, schräger, all diese Überlegungen entfallen vis à vis zu den Bildern von Barbara Klemm. Es sind sachliche Schwarzweiß-Stills eines unspektakulären Alltags, so und nicht anders vorstellbar; aufgebaut in horizontalen Schichten von Verkehrswegen, Menschen, Gruppen und Architektur, die Vorder-, Mittel- und Hintergrund deutlich zur Fläche hin abstrahieren, wenngleich der fotografische Realismus der Szenen von Armut vor allem und schlechtem Wetter die Meditation des Bildaufbaus mit seinen erstaunlichen formalen Qualitäten böse durchkreuzt. Vielfach reproduziert und bekannt: Der Volkspolizist, der von Westberliner Mauerseite durch eine Tür in den Osten verschwindet und sich dabei merkwürdig surreal im westlichen Graffitigeflecht aufzulösen scheint. Oder Botho Strauß, der inmitten des sparsam gestreuten Biedermeiermobiliars seines Berliner Altbauambiente zu seinem endgültigen, prätentiösen Selbstbild kommt.
Bis 17. Juni, Di-Fr 14-18 Uhr, Liebensteinerstraße 4, Dahlem
„Die Distanz zwischen dem Menschen und seinem Selbstbild wird nie nach bekannten Normen zu messen sein“, gibt passenderweise Birgir Andrésson, einer der isländischen Freunde zu Bedenken, die Ludwig Gosewitz (wie Strauß in Naumburg an der Saale geboren) einlud, mit ihm im Haus am Lützowplatz auszustellen. Ob sich solcherlei Koinzidenz durch bestimmte astrologische Konstellationen erschließen lassen, scheint eine durchaus statthafte Frage an Gosewitz. Denn sein Aquarell „Compatibility/similarity with yourself (Biorhythm)“, ein blau-rot-grüner Wellenverlauf ergab sich aus einem komplizierten biorhythmischen Vergleich, der eine „astronomisch/logische“ Beziehung zur Umlaufzeit des Saturn hat. Dagegen strahlen seine „21 Glasobjekte“, dickwandige Glasschalen, -becher und -vasen eine angenehm handgreifliche Gediegenheit aus, deren klare Durchsichtigkeit noch in den dunkelrot eingefärbten Partien nie verschwindet. Birgir Andrésson stellt in „Nähe“ 60 Porträts isländischer Menschen zusammen, Fotos von Fotos, Zeichnungen und geprägten Münzen, alle im gleichen Format und im gleichen hellen Holzrahmen. Im Katalog finden sie ihre ergänzende Beschreibung unter dem Titel „Nähe Menschen Wissen/Porträts“. Die Zuordnung dürfen die Betrachter/LeserInnen in eigener freier Montage treffen. Gosewitz' mystischen, zeichnerischen Kristallbildungen wie „Drei Frauen – drei Kinder“ am meisten verwandt scheinen Bjarni H. Thórarinssons „Visiorós“. 42 Blätter zeigen in blauer Tinte merkwürdig schamanistische Bäume, die aus regelmäßig gereihten und ornamental angeordneten Wörtern und Nummern sowie ihren umgrenzenden Feldlinien entstanden. Kühl und reduziert treten Ingólfur Arnarsson und Kristján Gudmundsson auf. Arnarssons 60 x 20 x 5 cm messende Betonplatten zeigen zweierlei Weiß. Die stereotype weiße Grundierung wird in einem unteren kleineren Feld mit zarter Aquarellfarbe ins Gelbliche, Violette oder Rosarötliche gespielt. Kristjan Gudmundssons „Zeichnungen“ sind elegante Materialcollagen aus Papier und Graphit. In der „Zeichnung 6“ werden dünne Bleistiftminen zu einem riesigen Rechteck hintereinandergereiht. Die minimalistische Umrißlinie beansprucht eine komplette Galeriewand. „Zeichnung 20“ ordnet die gleichen Minen dicht an dicht in vier vertikale und vier Querstreifen. Der Farbton im Queren ist kälter, metallischer als der vertikale.
Bis 5. Juni, Di-So 11-18 Uhr, Lützowplatz 9, Tiergarten
Brigitte Werneburg
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