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Wand und BodenOutdoor-Artisten

■ Kunst in Berlin jetzt: Susanne Weirich, Gunda Förster, Robert Smithson, Wolfgang Tillmans

Es stand Rundgang auf der Karte, und er galt der Auguststraße. Dort haben sich die Galerien zwar noch nicht völlig etabliert, geben aber vom Konzept her eine ganz gute Figur ab: netzwerkebildenderweise korrekt. Anders als in Charlottenburg blickt die Konkurrenz noch nicht mißgünstig auf das Geschehen ringsumher, sondern vertraut dem wenn auch minimalen Spielraum der Positionen: Eigen und Art eben. In der frisch weiß renovierten Galerie Wohnmaschine sieht es schon etwas mehr nach gezieltem Kunsthandel aus, wie er in Düsseldorf oder Köln praktiziert wird. Eine Dame am Computer checkt den Verteiler und die Preise einiger kleinformatiger Aquarelle durch. Ausgestellt wird dagegen ein Projekt zu Fragen nach dem Bildbegriff in der zeitgenössischen Kunst, das von Susanne Weirich konzipiert wurde. Sie hat im Keller eine Rauminstallation mit Designersofa nebst Stuhl und versteckten Bildern arrangiert. Während man in der einen Ecke in Noppenfolie verpackte Leinwände durchblättern kann, hängt im anderen Winkel eine Art Julian-Schnabel-Verschnitt in Pflaumenfarben, die Ahnung einer Postmoderne, in der die Bilder nichts mehr zu erzählen haben. So bleibt auch ein zentral in Szene gesetzter Rahmen leer, nur ein winziges Schildchen am Rande erklärt, daß es sich um das „Bildnis eines Malers“ (1650) von Gerard Dou (1613–1675) aus der Sammlung Parrhasios hätte handeln können. Zwar verspricht ein weiterer Zettel den Kommentar zum konzeptuellen Schweigen der Malerei, der entsprechende Walkman aber fehlt leider. Ilja Kabakow hatte wenigstens noch ein Gästebuch und Kopystiansky einige nachgemalte Bilder. Die zweite Arbeit von Gunda Förster im oberen Raum ist ihrer Natur gemäß rot, diesmal rot über Eck gemalt und per Diaprojektor mit einem kleineren roten Feld angestrahlt. Soweit das Rahmenmodell. Vielleicht sind demnächst Bilder zu sehen.

Tucholskystraße 34/36, Di.–Fr. 14–19, Sa. 11–14 Uhr

Als äußerst schwierig gestaltet es sich auch, den Ideen von Robert Smithson auf die Spur zu kommen. Der bereits 1973 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommene Smithson hat neben längst verfallenen Earth-art-Arbeiten (Steine in Salzseen, Teer oder Flüssiggummi auf lehmigen Hügeln) und Objektkästen voller site-spezifischem Geröll vor allem Skizzen, Collagen, Dias und einen Film zu „Spiral Jetty“ hinterlassen. Die Kunst-Werke haben für diese Dokumentation zu dem wohl bekanntesten Projekt des Outdoor-Artisten – einer aufgeschütteten, monumentalen Steinspirale im Great Salt Lake/Utah – einen Videoraum museal hergerichtet. Dazu kann man sich zwei Stockwerke höher in Smithsons Dia-Vortrag „Hotel Palenque“ weiterbilden. Anders als bei der großen Brüsseler Retrospektive im vergangenen Jahr braucht man hier nicht bloß im touristischen Stechschritt vorbeizurennen. Statt dessen hat man mit Stuhlreihen und Sitzelementen eine Mischung aus Chill-out und Seminarsituation geschaffen. Ähnlich wie für seine Kollegen Robert Morris, Donald Judd oder Dan Graham war bei Smithson der Unterricht nicht vom Werk zu trennen. Insofern ist auch die formale Klarheit zu „Hotel Palenque“ keine Spielerei mit dem Minimalismus. Auf 31 Dias schildert Smithson ein abbruchreifes Hotel in Mexiko und entwickelt daran seine Gedanken zur Archaik im Zeitalter nach der Industrialisierung. Mal ist er von der violence begeistert, die von dem stillen Ort ausgeht, dann wieder grübelt er über die Verbindung von Indio- Mythen und Hippie-Philosophie nach. Das Gebäude steht im Zeichen der Schlange, so ein verstockter plötzlicher Kommentar zu einem Bild, das nichts als einen Haufen zerdepperter Ziegelsteine unter Palmen zeigt. Gleichzeitig ist die triphaft zelebrierte Dia-Show eine präzise Beschreibung architektonischer und archäologischer Komplexitäten, auf die der Künstler trifft – Texturen, in denen Smithson lesen kann, manchmal wie im Märchenbuch.

Bis 29. 1., Auguststraße 69, täglich 15–18 Uhr

Ohne großen Budenzauber hat Wolfgang Tillmans seine Fotos und C-Prints mit Tesa-Ecken in der Galerie Neugerriemschneider wie an imaginäre Pinnwände geklebt. Natürlich muß jeder über die lockere, unaufdringliche Art der Präsentation stolpern, und die Motive tun ein übriges: Mutter im sonnenbeschienenen Garten, spätherbstliche Bäume am Wegesrand der Eisenbahn, die besten Freunde vor ihrer Schallplattensammlung aufgereiht. Oder nette buddhistische Demutsgesten als Selbstportraits, mal nackt oder im Jeans-Look. Eine hiesige Kuratorin ärgert sich leise über die öde Banalität der Bilder, denen doch jede künstlerische Note abgehe (nicht mal das warme Kadmiumrot der Fotos von Nan Goldin scheint Tillmans zu beherrschen). Ein anderer ordert total begeistert mittlere Formate und möchte am liebsten den gesamten Bestand wegkaufen. Er hat wahrscheinlich die Thesen über Fotografie als Schnappschuß-Ready- made in Flash Art gelesen und weiß: Tillmans ist hip. Der freundliche Remscheider, Jahrgang 68, gehört zu einer Künstlergeneration, die wie der amerikanische Art Club 2000 oder die Schweizer Video-Amateurin Pipilotti Rist mit Trash, Techno und Medien aufgewachsen ist. Tillmans sucht keine Sujets, er setzt aufs private Umfeld. Daraus ergeben sich Momentaufnahmen, die in ein paar Jahren entweder neben Biker- Bildern von Richard Prince als Sozialstudien am Underground taugen oder halt verschwinden, wie vieles etwa aus der Popkultur der achtziger Jahre. Wer kennt noch Werner Büttner? Schon jetzt fühlt man sich jedoch beim Foto einer heruntergewirtschafteten Küche an London erinnert. Es muß an der Kombination aus Import-Bierdosen, fauligen Salatblättern und obskuren Dairy- Cream-Küchelchen in Pink liegen. Auch das aber muß man erst einmal fotografiert haben.

Bis 4. 2., Goethestraße 73, Di.–Sa. 11–18 Uhr Harald Fricke

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