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WalpurgisnachtLinke entdecken den Wedding

Ein Bündnis mobilisiert zu Konzert und Demo am Montag. Im Wedding würde die Verdrängung gerade beginnen. Viele Anwohner haben Angst vor Krawallen.

Die Organisatoren der "Antikapitalistische Walpurgisnacht" stellen ihr Demokonzept vor. Bild: dpa

Raus aus dem Szenesumpf, rein in den Wedding: So lässt sich beschreiben, was am Montag passieren soll. Das alljährlich von linken Gruppen veranstaltete Konzert zur Walpurgisnacht findet dieses Jahr nicht in Friedrichshain statt, sondern am S-Bahnhof Wedding. „Wir haben es im durchgentrifizierten Friedrichshain in den letzten Jahren einfach mit einem übersättigten Publikum zu tun gehabt“, sagt Birgit Westermann zur Begründung. „Wir sind dieses Jahr im Wedding, weil hier die Gentrifizierung erst am Anfang steht“, so die Aktivistin, die ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will. In diesem Stadtteil könne man noch „intervenieren“.

Seit 2005 hilft Westermann bei der Organisation der „antikapitalistischen Walpurgisnacht“. In diesem Jahr sollen ab 14 Uhr verschiedene Hip-Hop-, Ska- und Hardcore-Gruppen auftreten, eine Theatergruppe will eine Performance zur Lage auf dem Arbeitsmarkt vortragen. Ab 21 Uhr ist eine Demo durch den Kiez und die Müllerstraße angesetzt – unter dem Motto „Nimm was dir zusteht“.

Gentrifizierung, Rassismus und Sozialchauvinismus wolle man thematisieren, so die VeranstalterInnen. Ihnen sind zahlreiche Probleme im Wedding aufgefallen: So seien die Mieten in der Müllerstraße teilweise rasant gestiegen, es gebe schikanierende Kontrollen am Leopoldplatz gegenüber Menschen, „die da nur ihr Bierchen trinken wollen“, Aktionen rechtspopulistischer Parteien im Kiez sowie soziale Ausgrenzung und Schikane im Jobcenter. 1.500 Teilnehmer werden zur Walpurgisnacht erwartet. „Es wird lebhaft, es wird laut sein und es wird eine Betroffenheit da sein“, ist sich Aktivistin Birgit Westermann sicher.

Mit gemischten Gefühlen betrachten dagegen einige Weddinger Bürger den erwachten linken Aktivismus im Kiez. „Weddinger werfen keine Steine“: Unter diesem Titel, der Parole und Ansage zugleich ist, haben der Förderverein Brüsseler Kiez und die Stadtteilvertretung Müllerstraße in einer Stellungnahme öffentlich ihre Bedenken gegenüber der Demo angemeldet. „Alle Formen der Gewalt, zu denen es in den vergangenen Jahren immer wieder in den verschiedenen Bezirken kam, gehören nicht in unsere Weddinger Kieze“, so steht es in dem Schreiben.

In der Kritik an steigenden Mieten zeigt man sich indes vorsichtig solidarisch mit dem Aktionsbündnis. Die Erklärung spricht von einer „nicht angemessenen“ Entwicklung der Mieten, man befürchte „gleichermaßen Verdrängungseffekte“. „Wir wollten mit der Erklärung niemanden provozieren“, sagt Barbara Örtel vom Förderverein. „Wir hoffen einfach, dass es friedlich bleibt.“ Deswegen will sie mit ihren MitstreiterInnen am Montagabend bei der Demo präsent sein und die Erklärung verteilen. Die haben mittlerweile sieben Kultur- und Bürgerinitiativen unterzeichnet, darunter der „Runde Tisch Leopoldplatz“ und das „Weddinger Kulturfestival“.

Die Organisatoren der antikapitalistischen Walpurgisnacht wünschen sich eine „kämpferische“ Demonstration. In ihrem Aufruf kritisieren sie bezirklich geförderte Stadtteilinitiativen als „Vorhut“ der staatlichen sozialen Kontrolle der „sogenannten Unterschicht“. „Das Quartiersmanagement verwaltet die Probleme nur“, kritisiert ein Sprecher des Bündnisses.

Kommunistische Agitation der „Unterschicht“ und „Hiebe“ für den Kapitalismus propagieren und versprechen die Veranstalter im künstlerisch gehaltenen Mobilisierungsvideo zur Walpurgisnacht. Das Video zeigt Szenen aus dem Defa-Film „Ernst Thälmann“, erwärmt sie sich am Arbeiterwiderstand vergangener Tage und beschwört den „Roten Wedding“. „Die Leute sollen sich zusammenschließen, um gegen Nazis und Kapitalismus zu kämpfen, und nicht ihre Nachbarn abziehen“, so die Organisatoren. Das Bündnis wolle mit der Demonstration nur eine Plattform dazu bieten.

Diese Plattform nutzen will Ines Grzyb. Sie ist als Zuhörerin zur Pressekonferenz des linken Bündnisses am Donnerstag gekommen. Wie die Veranstalter kritisiert sie die Mitbestimmungsmodelle im Bezirk: „Wenn der Moderator des Runden Tisches Leopoldplatz vom Bezirk ist, dann ist eine offene Diskussion schwierig.“ Die Anwohnerin und Sozialarbeiterin sagt, sie kenne „viele“ Jugendliche, die an der Demo teilnehmen wollen. Sie teilt auch die Kritik an sozialer Ausgrenzung und Gentrifizierung. „Das haben wir ja schon hier“, sagt sie. Jugendliche, die 25 Jahre alt seien und „zuhause nicht rauskommen, weil sie keine bezahlbare Wohnung finden oder in einer Bedarfsgemeinschaft mit der Familie festhängen“, so beschreibt Grzyb soziale Probleme des Bezirks. Sie betreue etwa einen Fall, in dem ein 21-Jähriger mit seiner Mutter in einem Zimmer wohnen müsse. Da dürfe man sich über „Wut auf der Straße“ nicht wundern.

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7 Kommentare

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  • B
    berndo

    @dumm, dümmer etc.:

     

    Intellekt schreibt man übrigens mit 2 "l".

     

    @taz:

    was ist denn aus Eurer gross angekündigten netiquette geworden? Der Kommentar strotzt nur so vor Fäkalworten und beleidigt mal pauschal alle, die sich irgendwie links nennen. Ist es für die Meinungsfreiheit bzw. die politische Diskussion ein guter Beitrag, wenn man mal alle anderen als arbeitsscheue "Arschlöcher" abqualifiziert? Ich kann auf so was verzichten.

  • S
    Stefan

    Wenn der Sozialismus so aussieht wie die Aktionen dieser "Kämpfer" - dann ist deren Sozialismus nicht besser als das jetzige System. Wir brauchen keine "linken" Gewalttäter im Wedding und anderswo.

  • H
    Heuschrecke

    ... und die Karawane zieht weiter. Den Prenzlauer Berg haben sie schon lange verlassen, Friedrichshain ist ihnen jetzt auch zu langweilig. Jetzt muss Neukölln und Wedding herhalten. Mit ihren Demos, Konzerten, Aktionen u.s.w. werden sie die beiden Bezirke attraktiv und "bewohnbar" machen für die Künstler, die Alternativen denen sehr schnell die Studenten, Hipster und Touristen folgen werden und dann wird es nicht lange dauern bis die ersten jungen Familien ihr neues Townhouse beziehen. Die Bewohner können sich herzlich bedanken. Aufwertung beginnt schon lange bevor die Lofts aus dem Boden schießen.

  • P
    pablo

    @Gegen alle Sozialisten: Sie haben ein der wichtigsten Diktaturen in Ihrer Auszählung vergessen. Die Diktatur des Kapitals und damit die Diktatur der Reichen die Ihren Reichtum mit allen Mitteln gegen 99% der Weltbevölkerung mit allen Mitteln verteidigen.

     

    @Dumm, dümmer, sozialistisch: Mehr als schlechte, dumme populistische Sprüche haben sie wohl nicht drauf oder warum gibt es keine Substanz in ihrem Kommentar?

     

    qMarkus: nicht jammern sondern selbst was machen, auf die strasse gehen und nicht in anonymen internet kommentare hinterlassen.

    Wer das System der Aufwertung verfolgt wird festgestellt haben das alles was "Linksalternativ" ist in der heutigen Zeit die Stadteile aufwertet in denen noch "bezahlbar" gewohnt werden kann. Nur haben die Yuppies die hinzuziehen in die sog. "Szeneviertel" es nch nicht mitbekommen das sie dann alles kaputt machen und sich die "szeneviertel" wieder in die altoma viertel verwandeln aus denen sie kamen.

  • M
    Markus

    Warum kommen die nur in den Wedding?

    Geht es denen nicht schnell genug, dass jeder weiß das man hier noch relativ günstig und ruhig wohnen kann?

    Braucht der Bezirk ein wenig Aufmerksamkeit, damit die Mieten weiter und schneller steigen können?

    Den Erfolg dieser Veranstaltung kann man ja prima in Prenzlauer Berg und Friedrichshain beobachten, wo die Bezirke ja offensichtlich genau nach dem Geschmack der Linken sein dürfte.

     

    Lieber die Bezirksverwaltung mit am Tisch, als diesen kontraproduktiven, zerstörerischen Mist.

     

    Vielen Dank "Aktivisten", Ihr habit uns richtig gefehlt im Kiez, war mir ja eh immer schon alles zu billig und ruhig und abwechslungsreich hier.

  • GA
    Gegen alle Sozialisten

    Man muß sich zusammenschließen und solidarisch gegen Nazis und andere Sozialisten zur verteidigung der Freiheit und des kapitalismus kämpfen. Der Wedding hat mit diesen in unseren Kiez zuwandernden und unsere Situation verschlimmernden linken Extremisten nichts zu tun. Es reicht schon wenn andere linke Gruppen wie die national-sozialistischen Kamaradschaften in Berlin ärger machen. Nur bekommen die von der taz keine Unterstützung und ihr nennt sie nicht "Aktivisten". "Nimmdir was dir zusteht" können die Typen bald haben. Ein paar auf die Fresse. Nie wieder Sozialismus, ob rot ob braun, nie wieder Diktatur!

  • DD
    Dumm, dümmer, sozialistisch

    Linksextreme Spinner/Arschlöcher mit selbstgegebener Verteidigungsrolle der Entrechteten und Enterbten. Jetzt will man im Armenkiez randalieren, das gibt einen revolutionären Anstrich, kann man gut den Kumpels in Wanne-Eikel erzählen und es stört die alten SED-Bonzen nicht da es ja nur "Kanaken" und "Wessis" trifft. Die taz gibt den Idioten auch noch einen seriösen Anstrich. Wer "antikapitalistisch" sagt meint er müsse anderen Menschen alles wegnehmen und es "gerecht" verteilen, also sich selbst gut versorgen und das Elend der Masse verwalten. Man versteckt seine arschlochmäsige totalitäre Gesinnung gerne hinter Worten wie "antirassistisch". Sie könnten ja das "Schweinesystem" einfach überlisten indem sie Dank ihres gigantischen Intelekts durch Patente und eigene Firmen zu Milliardären werden und uns den Wedding kaufen. Natürlich sind sie zum Arbeiten zu faul und zum Erfinden zu dumm. Deshalb sind sie ja Linksextremisten. Sozialisten eben. Ob da ein "national" davorsteht ist eigentlich egal. Scheiße stinkt auch wenn man sie rot lackiert.