Wallraff über Moscheebau in Köln: "Die Linke ist zu zurückhaltend"
Grüne und andere Parteien haben das Thema Islam zu lange ignoriert, sagt Publizist Günter Wallraff, der den Streit über den Moscheebau in Köln kritisch begleitet.
taz: Herr Wallraff, was hat dazu geführt, dass Moscheebau-Gegner und -befürworter plötzlich einträchtig zusammen demonstrierten?
Günter Wallraff: Dass hier in Köln diese Gemeinsamkeit zustande kam, hatte damit zu tun, dass plötzlich alle merkten, dass die Mitglieder der Pro-Köln-Initiative ihre Einwände gegen den Bau der Moschee nur als Vorwand benutzten, um Fremdenfeindlichkeit und Rassismus zu transportieren. Viele, die ihnen auf den Leim gegangen sind, wurden nachdenklich. Und sahen nun, was für Brandstifter in der Maske von Biedermännern daher kamen. Das ist der Erfolg einer weltoffeneren und multikulturelleren Stadt.
Wie werten Sie diese Aktion - ist das mehr als ein lustiges Wochenendspektakel?
Dass Vertreter so breiter Schichten zusammengekommen sind - vom FC-Köln-Fan bis zu bekannten Musikern und Lokalpolitikern aller Couleur -, hat eine Gemeinsamkeit hervorgerufen, die über den Tag hinaus wirken wird. Hier zeigt sich, dass der demokratische Konsens wirkt, wenn es darum geht, Nazis und Auschwitz-Leugner zu bekämpfen.
Der Moscheebau spaltet Köln. Sind Kritiker und Befürworter der Moschee nun wieder enger zusammengerückt?
Das glaube ich weniger. Ich hoffe aber, dass es möglich ist, genauso einig zu demonstrieren, wenn im Namen des Islam Menschenrechtsverletzungen begangen werden, wenn etwa Kinder in Koranschulen indoktriniert werden. Auch die Linke legt sich hier allzu oft eine falsche Zurückhaltung auf.
Inwiefern?
Der Fehler war, diese Thematik Rassisten und Ausländerhassern wie Pro-Köln zu überlassen. Vertreter der Grünen und anderer Parteien haben die Intoleranz des Islam ignoriert - oft aus falsch verstandener Toleranz.
Islamkritiker wie Ralph Giordano nennen die Linken gerne "Multikulti-Illusionisten". Hat er recht?
Ralph Giordano kann das aus eigenem Erleben schlecht beurteilen, er lebt in einem Stadtteil, wo die Besserbetuchten unter sich sind. Ich sehe Multikulti nicht als gescheitert an. Ich wohne ja seit mehr als 40 Jahren in Köln-Ehrenfeld, in einem Stadtteil, wo mehr als jeder Dritte ein Zugereister ist. Ich sehe, dass das Zusammenleben funktioniert. Die Vorteile überwiegen. Probleme gibts natürlich auch, aber wenn Giordano apodiktisch sagt, die Integration ist gescheitert, dann muss er sich auch fragen lassen, woran das liegt. Die Deutsche Politik hat jahrelang ignoriert, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, und noch immer bietet sie Immigrantenkindern kaum Bildungschancen.
Wer ist eigentlich gefährlicher: Rechtspopulisten wie Pro-Köln, die gegen den Islam wettern, oder angesehene Vertreter der bürgerlichen Mitte, wie Ralph Giordano, die ihnen Zitate liefern.
Giordano ist keine Gefahr. Er ist ein Einzelner. Er schießt gelegentlich übers Ziel hinaus, ich finde aber, dass seine Verdienst überwiegen. Ich denke, solche Mahner muss es geben. Sie sind mir allemal lieber als diejenigen, die in falsch verstandener Toleranz, die manchmal nichts anderes als Ignoranz oder auch Feigheit, die intolerante Seite des Islams übersehen. Diese Seite herrscht weltweit immer noch vor. Wir haben kürzlich in Köln eine Solidaritätsaktion für die im Iran verfolgte religiöse Minderheit der Bahai initiiert und konnten dafür nicht einen einzigen Vertreter einer Moschee-Gemeinde gewinnen. Selbst den sonst so aufgeschlossenen Sprecher der Türkisch-Islamischen Union, die die Moschee betreibt, nicht.
INTERVIEW: ANNA LEHMANN
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