Waldbrand bei Marseille: Brennender Zorn
Soldaten der französischen Armee lösten durch Leuchtkugeleinsatz das schwere Feuer in der Nähe von Marseille aus. Innenminister Francois Fillion fordert jetzt Sanktionen.
"Ein unentschuldbarer Fehler", schimpft Premierminister François Fillon. Er ist zusammen mit seinem Minister für Inneres, Brice Hortefeux, und dem Verteidigungsminister Hervé Morin in aller Eile in den Süden gereist, um die verkohlten Reste der Garrigue am Ostrand von Marseille anzuschauen.
Ein Waldbrand, der am Mittwoch im Militärlager Carpiagne - auf halber Strecke zwischen Cassis und Marseille - ausbrach und zwei Nächte und einen Tag lang wütete: 1.100 Hektar Heideland und Pinienwald sowie mehrere Häuser und Hütten wurden zerstört. Unter anderem mussten die BewohnerInnen eines Altersheims evakuiert werden. "Es wird Sanktionen geben", kündigt Fillon an.
Der 43-jährige Unteroffizier der Fremdenlegion, der für den größten Waldbrand der Region seit zehn Jahren verantwortlich gemacht wird, ist derweil vom Dienst suspendiert und sitzt in Haft. Nach Angaben der Gendarmerie ist er "untröstlich" ob der schweren Folgen seiner Schießübung.
Am Mittwoch war er mit sechs Fremdenlegionären unterwegs. Bei ihrer Übung setzten sie Famas-Sturmgewehre ein und benutzten neben der scharfen Munition vom Kaliber 5,56 auch Leuchtkugeln. Offenbar setzte der Funkenflug die knochentrockene Vegetation in Flammen. Zunächst versuchten die Fremdenlegionäre selbst zu löschen. Als das scheiterte, kamen 500 Feuerwehrleute zu Hilfe - mit Einsatzkräften am Boden und in der Luft. Erst am Freitagmorgen teilte der für die "Verteidigungszone Süd" zuständige General Louis Pichot de Champfleury mit, dass das Feuer gelöscht sei.
Die im Hochsommer häufigen Waldbrände an der Mittelmeerküste werden oft von Pyromanen gelegt. Militärisch verursachte Feuer in den Wäldern sind hingegen seltener. Freilich ist dieser Fall bereits der zweite. Im vergangenen August hatten Schießübungen im Militärlager Canjuers im südfranzösischen Var ebenfalls einen Brand ausgelöst. Damals gingen 150 Hektar Garrigue in Flammen auf.
Die AnwohnerInnen reagierten wütend. "Merci larmée", skandierten junge Leute am Mittwochabend in dem Marseiller Vorort Trois-Ponts. "Unsere Kinder dürfen nicht mit Knallern spielen, und gleichzeitig ballern die Fremdenlegionäre mit Leuchtkugelschüssen im Hochsommer. Das ist unverständlich", schimpft der Präsident der Nachbarschaftsvereinigung von Trois-Ponts, Philippe Ysombard. "Wie sollen wir nicht wütend sein, wenn ein derart idiotischer Fehler eine Brandwand in einer Breite von acht Kilometer auslöst", sagt der Bürgermeister von Marseille, Jean-Claude Gaudin.
Sprecher der französischen Armee erklären jetzt, dass der der Einsatz von Leuchtkugelschüssen in Südfrankreich grundsätzlich verboten sei. Sie dürften "nur mit Ausnahmegenehmigung" eingesetzt werden. Eine solche Genehmigung habe dem Unteroffizier gefehlt, der das Feuer verursacht habe.
Aus seiner Haftzelle ließ der bislang unbescholtene Unteroffizier der Fremdenlegion wissen, er habe nichts von dem Leuchtkugelverbot im französischen Süden gewusst. Der von der französischen Insel La Réunion stammende Soldat, der kürzlich von einem Einsatz aus Afghanistan zurückkehrte, muss sich wohl demnächst vor der militärischen Staatsanwaltschaft rechtfertigen.
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