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Archiv-Artikel

Waldau wird „Labor“

Spielen, um „im Spiel“ zu bleiben: Als zweiter Standort nach München hat Bremen jetzt ein arbeitsamtgefördertes Theater. Aus der Ferne grüßt Tabori

Von Henning Bleyl

„Ihr werdet 40 Tage hungern, wilde Psychospiele machen und alle Tabus brechen – und dann bringen wir Kafkas ,Hungerkünstler‘ zur Premiere.“ Sind das die Worte, mit denen Maik Romberg heute sein künftiges Ensemble auf der Bühne des „Waldau“ begrüßt? Die 40 Männer und Frauen, die aus der ganzen Republik angereist sind, um gemeinsam zu neuen Theaterufern aufzubrechen? Vielleicht nicht. Aber es sei durchaus ein bewusster Akt, sagt Romberg, dass das neue Institut „theaterlabor“ heißt. In Anlehnung an George Taboris legendäre Truppe, mit der er in den 70ern vom „Concordia“ aus die bürgerliche Theaterwelt durcheinander brachte.

Rombergs Ziele sind pragmatischer. Er will arbeitslose SchauspielerInnen, aber auch Bühnenbildner, Beleuchter, Kostümbildner und Tontechniker wieder in Lohn und Brot bringen. Wenn es dafür eines Hungerexperiments bedarf, würde Romberg zumindest nicht, wie damals Tabori, von der Kulturbehörde gestoppt: Die ließ die Extrem-Proben nach 40 Tagen abbrechen, 1978 drehte der Senat dem „zu elitären Projekt“ komplett den Geldhahn zu. Romberg muss das alles nicht befürchten: Von der Kulturbehörde bekommt er ohnehin keine Mittel. Sein Etat für die ersten drei Produktionen – rund 100.000 Euro – besteht aus dem Gegenwert der „Bildungsgutscheine“, die die einzelnen TeilnehmerInnen bei ihren jeweils zuständigen Ämtern beantragen mussten. So heißt seit der Arbeitsmarktreform die Währung für Qualifizierungsmaßnahmen.

Die künftigen Bremer Theaterlaboranten hätten sich als Alternative nur bei der Münchner „Halle 7“ bewerben können. Romberg, früher Dramaturg und Regieassistent an der Landesbühne Wilhelmshaven und am Goetheplatz, hat sein erstes „eigenes Theater“ also geschickt in einer Lücke des Weiterbildungsmarktes platziert. Die Regional-Statistik macht ihm Hoffnung: Über zwei Drittel der Engagementlosen sind in den nördlichen Bundesländern registriert. Während der auf 18 Wochen angelegten Weiterbildung sollen sie im doppelten Wortsinn wieder „in’s Spiel“ kommen, außerdem werden sie in Bewerbungsfragen umfangreich gecoacht. Die erste Premiere, zu der Romberg auf ein von Agenten, Intendanten und Castern durchsetztes Publikum hofft, ist für den 6. Januar geplant.

In das „Waldau“, das seit der Insolvenz sowohl des Niederdeutschen Theaters als auch des zwischenzeitlichen Betreibers Klaus Marth der „Bremer Musical Company“ beziehungsweise deren Leiter Thomas Blaeschke gehört, ziehen mit dem „theaterlabor“ ungewohnte Töne ein. Romberg will „ernsthaftes Schauspiel“, eine der Inszenierungen der ersten Weiterbildungsstaffel wird Gorkis „Nachtasyl“ sein, bei Ayckbourns „Ein komisches Talent“ führt Zadek-Schüler Peter Kühn Regie. Romberg: „Es ist eine Herausforderung, so etwas hier zu etablieren.“

Räumlich bietet das riesige Haus ideale Voraussetzungen, einen komplett autonomen Theaterapparat zu installieren: Neben den fünf Aufführungs- und Probesälen gibt es große Werkstätten, ganz zu schweigen von einem hoch spezialisierten Fundus-Wesen für Kostüme, Schuhe und Requisiten. Wer sich durch die drei Hauptreppenhäuser und einige der Nebengänge bewegt, darf sich zudem wieder an Tabori erinnert fühlen: Der wollte auf jeden Fall lieber „in Katakomben als in Kathedralen“ spielen.