piwik no script img

■ Die Opposition macht es dem Finanzminister zu einfachWaigels Trick

Theo Waigel macht eine einfache Rechnung auf: Wer die ostdeutschen ABM-Stellen verlängern will, muß sagen, wo er das Geld dann sparen will. Schlau gesagt. Denn darauf bekommt Waigel keine Antwort – und die will er auch gar nicht. Waigels Ziel ist vielmehr, den von der SPD dominierten Bundesrat als Haufen ideenloser Mäkler vorzuführen.

Diese Chance hat ihm die Länderkammer selbst eröffnet. Die SPD-MinisterpräsidentInnen konnten sich bisher nicht auf ein Alternativkonzept einigen. Sie haben keinen Forderungskatalog, an dem sie sich nicht auseinanderdividieren lassen. Während die ostdeutschen Landesväter vor allem die ABM-Stellen retten wollen, hat sich der SPD-Chef und Saarlandfürst Oskar Lafontaine in erster Linie in Sachen Kindergeld stark gemacht. Ein bißchen wird Waigel hier und dort nachgeben müssen – aber dann wird sein Sparpaket schon abgesegnet werden. Die einzige Institution, die dem Sparpaket realpolitisch etwas entgegensetzen könnte, hat sich selbst blockiert. Das wird sich nach der Sommerpause rächen. Und darauf weist Waigel schon jetzt genüßlich hin.

Dabei ist Theo Waigels Frage tatsächlich eine Unverschämtheit. Sie suggeriert, daß es zu seinen Grundvorgaben keine Alternative gibt und hohe Sozialkosten das einzige Problem in Deutschland sind. Wie schräg diese Perspektive ist, hat selbst Rudolf Scharping inzwischen erkannt, der eine Reform des Steuersystems fordert und sogar die Idee der Grundsicherung von den Grünen übernommen hat. Doch mehr als einen positiven Lichtstrahl auf die SPD wird das nicht werfen. Denn wo die Sozis entscheiden können, lassen sie sich auf Waigels Denkweise ein. Und im Zeit-Gespräch ist gut parlieren.

Um diese starre Weltsicht zu überwinden, müssen die Reformen allerdings möglichst konkret ausgearbeitet werden. Die Forderung nach einer höheren Steuer für Vermögen nützt noch nichts, wenn nicht klar gesagt wird, wie sie mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Und die Verfechter einer Ökosteuer müssen sich der mühsamen Arbeit unterziehen, nicht nur Istzustand und Ziel zu beschreiben, sondern auch den Weg. Erst dann werden der 35jährige Werftarbeiter in Bremen und die 50jährige ABM-Frau in Potsdam entscheiden, ob das auch für sie eine Perspektive ist. Annette Jensen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen