■ Wahrheit-Reporter vor Ort: Das „Café Lindenstraße“ in Krefeld: Philippklausidani in der Badewanne
Die Mordwaffe hängt an der Wand – zur Schau gestellt hinter Glas. Nicht die Polizei hat sie konfisziert, sondern die Brüder André und Maik Göttel: jene Bratpfanne, mit der Lisa Hoffmeister in der „Lindenstraße“ Pfarrer Matthias Steinbrück ins verdiente Jenseits prügelte, zack, das Küchenutensil übern Schädel. Geburts- und Sterbedaten der klerikalen Nervensäge sind auf einem Holzkreuz festgehalten: 20. 8. 1957 – 17. 8. 1995. Kreuz und Pfanne gehören zum Inventar des „Café Lindenstraße“, das die Göttels in der Krefelder Wiedenhofstraße eröffnet haben. Verwirrend, aber wahr: Eine echte Lindenstraße ist drei Gehminuten entfernt – bloß war die als Standort nicht so recht geeignet.
Geeignet hingegen schien dem „Lindenstraße“-Erfinder Hans W. Geißendörfer das Konzept von Göttel & Göttel: Die bekennenden Serienfans hatten sich von „Hard Rock Café“ und „Planet Hollywood“ inspirieren lassen, als sie ihre Vorschläge an den Soap- Guru schickten. Der gab rasch sein Okay – nun steht in Krefeld das bundesweit einzige, offiziell genehmigte und lizensierte Lindenstraßencafé. Das Wohlwollen des Über-Beimers erschließt den Göttels zugleich den Fundus von dessen Produktionsfirma in Köln- Bocklemünd: So findet der geneigte Gast in dem Lokal sowohl Szenenfotos (Philippklausidani in der Badewanne) als auch das Hochzeitskleid von Gaby Zenker (äh, Zimmermann; nee - Skabowski?), ein Schildknecht-Gemälde (Vera nackig!) ziert das Obergeschoß, und wer auf der Frankfurter Buchmesse vergeblich Robert Engels „Rosa Oktober“ suchte, der möge doch einmal im Café nachsehen. Sogar Visitenkarten des Büros „Ehrlich reisen“ (Firma von Taube und Goethe – wir verstehn uns?) liegen herum. Gipfel der guten Geschmacklosigkeit: die Deckenlampe aus Franz Wittichs „Sperlingsruh“. Und im Treppenhaus erfordert eine üppige Ahnengalerie die Aufmerksamkeit des Betrachters: „Ach ja, die Claudia...“ – auch schon tot.
Klar: Auch Nicht-Fans sind im Café willkommen, „wir haben für jeden von 8 bis 80 was da“, sagt Maik Göttel – Spielecke und Wickelraum inklusive. Doch der volle Genuß bleibt dem Kenner vorbehalten. Sogar eine Art Else Kling läßt sich ab und zu blicken, weist die jungen Gastronomen auf Modalitäten bezüglich der Müllabfuhr hin und geht ihrer Wege; keine Ahnung, ob sie von ihrer Ähnlichkeit mit der Fernsehfigur weiß.
Alle vier bis sechs Wochen, so Göttel, soll ein Schauspieler eingeladen werden, „Event-Gastronomie“ heißt das Stichwort. Das Goldene Buch für Autogramme liegt schon bereit, wenn auch in Form einer alten Holztür. Georg Uecker (Carsten Flöter) könnte mit Gästen über Homosexualität reden, Marie-Luise Marjan (Mutter Beimer) Maultaschen servieren. Überhaupt: Kulinarische Genüsse aus dem „Lindenstraße“- Kochbuch werden die Speisekarte bereichern; ab Juli soll wöchentlich ein Fan-Gericht offeriert werden, und bereits jetzt kann man den – nicht in der Serie vorkommenden – „Lindenstraßenburger“ bestellen, für 9,90 Mark einschließlich Kartoffelecken. Großer Vorteil in Sachen Verdauung: weit und breit keine singende Isolde.
Ruhe lieben die Cafébesucher insbesondere sonntags zwischen 18.40 und 19.09 Uhr, wenn die aktuelle Folge gemeinsam auf der Großbildleinwand verfolgt wird: Göttels Personal darf nicht mal mehr Bier zapfen, ohne einen Aufstand zu provozieren, und wehe, das Telefon klingelt! Das ist halt fast so wie im Kino: Hat man einen notorischen Tütenknisterer und Colarülpser neben sich, schlüge man am liebsten zu. Doch hat man leider nie eine Bratpfanne zur Hand. Andreas Milk
Café Lindenstraße, Krefeld, Wiedenhofstraße 56, geöffnet sonntags bis donnerstags 11 bis 1 Uhr, freitags und samstags 11 bis 3 Uhr
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