: Wahre Frauenversteher
Ist Genuss ohne Reue noch angesagt? Jude Law bricht in dem Remake „Alfie“ die Herzen der neurotischsten Frauen
Remakes laden zum Vergleich ein. Wobei das Ergebnis schon vorher feststeht: Es ist üblich, den alten Film besser zu finden. Weil sich damit so wunderbar ein Lebensgefühl ausdrücken lässt – das Unbehagen an der Gegenwart. Wenn dazu noch wie im Fall von „Alfie“ das Original aus den Sechzigern stammt und obendrein in Swinging London spielt – dann muss man den alten Film mit Michael Caine in der Hauptrolle gar nicht gesehen haben, um zu wissen: Natürlich ist er besser als Charles Shyers Adaption ins New York von heute mit Jude Law in der Titelrolle.
Was aber bleibt vom gegenwärtigen „Alfie“, wenn man ihn durch keinen Vergleich mit früher interessant macht? Zunächst ein gewisses Befremden: Der herzlose Herzensbrecher, dessen Weg von weinenden Frauen gesäumt wird, ist keine wirklich aktuelle Figur mehr. Jahrzehnte des Psycho-Diskurses mit den Leitmotiven „erwachsen werden, Verantwortung übernehmen“ haben selbst der noch so heimlichen Bewunderung für den hemmungslosen Hedonisten zugesetzt. Genuss ohne Reue ist einfach nicht mehr angesagt. Originellerweise macht das aus Jude Laws „Alfie“ einen echten Außenseiter. In der Einleitungssequenz, in der uns Law von der Leinwand herab in die Geheimnisse seines „Junggesellendaseins“ einweiht, scheint kurz auf, welche Provokation die Figur heute tatsächlich darstellen könnte. Alfie schert sich weder um Karriere noch Altersvorsorge; fröhlich strebt er nach sexuellen Abenteuern in der wohligen Gewissheit, dass die Frauen „es“ heutzutage doch auch wollen.
Doch allzu schnell wird klar, dass der Film seine Hauptfigur eines Besseren belehren will. Alfie kommt die unschöne Aufgabe zu, sich selbst zu entlarven. Das verleiht dem Film etwas aufdringlich Rechtschaffenes, schließlich wissen alle, worauf es hinausläuft: Männer wie Alfie sind ein Auslaufmodell.
Zumal die Frauen, die Alfie ohne Reue verführen will, wirklich allesamt zu gut für ihn sind. Die gelangweilte reiche Ehefrau (Jane Krakowski) ist auf der Suche nach echter Wärme und Nähe; die allein erziehende Mutter (Marisa Tomei) hat ihr Leben bestens im Griff und wartet rehäugig auf einen anständigen Kerl, der das zu schätzen weiß. Das Glamourgirl (Sienna Miller), das Alfie über den neurotischen Hintergrund des schönen Scheins belehrt, ist genauso ehrlich in seiner Verzweiflung wie die Freundin (Nia Long) des besten Freundes, die sich für eine Nacht von ihm trösten lässt. Selbst die zynische ältere Frau (Susan Sarandon), die ihn im Spiel des Herzensbrechens übertrumpft, darf mit mehr Recht Hedonistin sein als er – die erfolgreiche Geschäftsfrau hat dafür gearbeitet.
So führt sich der Film selbst ad absurdum: Der wahre Frauenversteher steht nicht vor, sondern hinter der Kamera. Warum sie sich überhaupt auf Alfie einlassen, wo es ohne ihn doch allen besser geht? Einzig das Setdesign, das auf großen Plakatwänden Worte wie „Desire“ und „Pursue“ aufleuchten lässt, erinnert daran, dass es da irgendwas gab, irgendeine Lebensgier. Für solches Jucken an der Seele hat man heute kein Verständnis mehr. BARBARA SCHWEIZERHOF