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Wahlzirkus am Rande: Elefantenritt geradewegs ins Präsidentenamt

Die junge Frau traute ihren Augen nicht. Ein leibhaftiger Elefant kam ihr entgegen. Mitten in Warschau, auf der Hauptstraße. Der huldvoll grüßende Reiter war der künftige Präsident Polens – so es denn das Wählervolk Polens im November will. Vor ein paar Tagen erst hatte Janusz Korwin Mikke sein Wahlprogramm publik gemacht: Einführung eines Steuer- und „Männerparadieses“. Wie? Er werde die Steuerpflicht und das Frauenwahlrecht abschaffen, meint Korwin Mikke.

Der Kandidat, Autor vieler Bridgehandbücher und seit Jahren das Enfant terrible in der polnischen Politik, hat mit diesem Programm das erforderliche Quorum für seine Kandidatur zusammenbekommen. 118.000 Personen unterschrieben mit ihrem Namen. Korwin Mikke feierte das Ergebnis mit einem Toast auf den „großen Erfolg unserer hoffnungslosen Sache“. Leszek Bubel dagegen, Gründer und Mitglied der Bierfreunde-Partei, nimmt seine Kandidatur durchaus ernst. Der rundliche Herr hat es allerdings sehr schwer, sich glaubwürdig zu verkaufen. „Bubel“ heißt im Polnischen „Ramsch“ oder „falscher Fuffziger“ – äußerst passend, wie viele Polen meinen. Denn gegen den Vorsitzenden des „Forums zum Kampf gegen das Unrecht“ laufen mehrere Prozesse. Er soll einen gestohlenen Porsche fahren, die Miete für sein Geschäft schuldig geblieben und Herausgeber eines antisemitischen Witzblattes sein. Vor kurzem er geriet durch eine Bordellschlägerei in die Schlagzeilen. Der Mann, der „gegen das Unrecht“ kämpft, fordert die Amnestierung aller Straftäter, die wegen „geringer Verbrechen“ eingebuchtet wurden. Auf die Kampagne des Kabarettisten Jan Pietrzak hatten sich die FernsehzuschauerInnen gefreut. Doch als die Stunde des „Sandmännchens“ nahte – um diese Zeit werden die Wahlspots gesendet – blickte nur ein grauhaariger Herr mit müde hängendem Schnauzbart von der Mattscheibe. Die „Agenten der Zarin“ gingen durch das Land, beschwor der ehemalige Witzbold düstere Gestalten herauf. Und auch der Teufel, so erfuhren die bestürzten Polen, mische schon wieder im Schicksal des Landes mit. Mit todernster Miene trug Pierzak vor, wie diesen Gefahren zu begegenen sei. „Wenn die Politiker sich wie Satiriker benehmen, kann genausogut ich Präsident werden.“ Ein ernstes Gesicht macht auch Tadeusz Kozluk, Gründer der „Bewegung des gesunden Menschenverstandes“ und des „Instituts des Gehirns“.

Der Juraprofessor zweifelt wohl an den geistigen Fähigkeiten seiner potentiellen WählerInnen und wiederholt in jedem Interview: „Ich heiße Tadeusz Kozluk, und ich heiße schon immer so. Die Geburtsurkunde trage ich stets bei mir.“

Dem Kandidaten schwebt eine Regierung von Experten vor. Wie praktisch, denn Kozluk betreibt eine private Handels- und Verwaltungsakademie. Da können die künftigen Politprofis die Schulbank drücken – für 200 US- Dollar im Monat. Zum folkloristischen Präsidentenreigen gehört auch der Unternehmer Kazimierz Piotrowicz. „Ich habe kein einziges politisches Buch gelesen und mich niemals mit Politikern unterhalten! Und so ist es mir gelungen, ein neues politisches System zu erfinde, daß es noch nirgends auf der Welt gibt“, verkündet er. Dazu möchte er zuerst die politischen Parteien abschaffen. Wenn dann noch alle seine bioenergetischen Schuheinlagen trügen, werde Polen gesunden und gedeihen. „Die schützen sogar vor Aids“, behauptet Piotrowicz.

Die Polen sind für eine Gag zwar immer zu haben, aber diesen Politzirkus sind sie langsam leid. Ein Präsident auf einem Elefanten, der sich in Bordellen prügelt oder mit Werbezetteln für wundertätige Schuheinlagen herumwedelt, ist wohl doch nicht ganz das Wahre. Dann am Wahltag vielleicht doch lieber das Kreuzchen für Walesa oder Kwaśniewski machen. Gabriele Lesser

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