Wahlschlappe in Massachusetts: Obama verliert Kontrolle im Senat
Ausgerechnet in ihrer Hochburg Massachusetts verliert Obamas demokratische Partei die Nachwahlen zum Senat. Nun haben die Republikaner dort wieder eine Sperrminorität.
WASHINGTON taz | Es ist ein empfindlicher Schlag für die Gesundheitsreform in den USA und eine Ohrfeige für Präsident Barack Obama: Bei den Senatsnachwahlen in Massachusetts hat der bislang kaum bekannte Kandidat der Republikaner, Scott Brown, am Dienstag mit knapp 52 Prozent gegen die Demokratin Martha Coakley gewonnen.
In dem kleinen Bundesstaat im Norden der USA verlieren die Demokraten damit einerseits einen Sitz, der ihnen ein halbes Jahrhundert lang als sicher galt. Und auf der nationalen Ebene verlieren sie zugleich die stabile Mehrheit im Kongress, die sie für komplizierte Projekte wie die Gesundheitsreform brauchen.
Nötig geworden waren die Nachwahlen durch den Tod von Edward Kennedy im vergangenen Sommer. Er war seit Beginn der Präsidentschaftskampagne eine große moralische Stütze für Obama gewesen.
Fast auf den Tag genau ein Jahr nach seinem Amtsantritt im Weißen Haus, ändert das Wahlergebnis von Massachusetts die Situation von Präsident Obama radikal. Der Bundesstaat nördlich von New York City, in dem nur 6 Millionen Menschen leben, hat damit die Nachwahl genutzt, um die große Politik für Millionen von US-Amerikanern zu verändern.
Insbesondere die Gesundheitsreform könnte dem Votum aus Massachusetts zum Opfer fallen. Fortan ist nicht mehr sicher, ob – und in welcher Form – sie je den neu formierten Senat passieren wird. Die Demokraten verfügen seit ihrer Niederlage in Massachusetts nicht mehr über die Mehrheit von 60 zu 40, mit der sie notfalls auch umstrittene Projekte durchsetzen konnte. Stattdessen müssen sie nun künftig mit "nur" noch 59 gegen 41 Stimmen auskommen. Das gibt den Republikanern die Möglichkeit, mit einem Geschäftsordnungstrick, dem so genannten "Filibuster", durch Dauerreden eine Abstimmung zu verhindern.
Nach Gouverneurswahlen in New Jersey und Virginia, ist die Senatsnachwahl in Massachusetts die dritte schlechte Nachricht für Obama.
Für die Republikaner ist das Ergebnis der Wahlen in Massachusetts eine unerwartet schnelle Rückenstärkung. Noch vor wenigen Wochen hätte kaum jemand in den USA an einen Sieg der Republikaner bei den Nachwahlen geglaubt. Am allerwenigsten die demokratische Kandidatin, Staatsanwältin Martha Coakley. Noch Weihnachten erschien ihr der eigene Wahlsieg so sicher, dass sie kaum Wahlkampf machte.
Zugleich verstärkten die Republikaner ihre "Tea Parties" und ihren Widerstand gegen die Gesundheitsreform. Dabei setzten sie vor allem auf Ängste: Auf die Angst vor "zu viel Staat", auf die Angst von Versicherten, dass sie künftig höhere Beiträge zahlen müssen, um bislang nicht Versicherte zu versorgen, und auf die Angst von älteren BürgerInnen, denen sie suggerierten, dass ihre Gesundheitsversorgung künftig gefährdet sei.
Neben älteren Wählern, überzeugten die Republikaner auch viele Bewohner der Vorstädte und der ländlichen Gegenden von Massachusetts. In den Städten – insbesondere in der Universitätsstadt Boston – blieben die Demokraten freilich stark.
In den letzten Tagen vor dem Urnengang in Massachusetts war die Popularitätskurve des Republikaners Scott Brown so stark angestiegen, dass sich am Wochenende Präsident Obama persönlich mit einer Unterstützungserklärung für die demokratische Kandidatin Coakley einschaltete. Doch sein präsidiales Wort nutzte nichts mehr.
Am Dienstagabend, kurz nach der Bekannt des Wahlergebnisses, war Obama wieder am Telefon: Als einer der ersten, der dem Republikaner Scott Brown telefonisch gratulierte. Er habe einen "guten Wahlkampf" gemacht, und seinen Sieg "hart erkämpft", lobte der Präsident den frisch gewählten republikanischen Senator, der ihn künftig um seine stabile Mehrheit bringen wird.
Auch die unterlegene Demokratin von Massachusetts hat einen Anruf von Obama erhalten. Dabei hat der Präsident sie, dem Vernehmen nach, vor allem getröstet. "Wir können nicht überall gewinnen", soll Obama zu Coakley gesagt haben.
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