piwik no script img

WahlrechtMehr Demokratie ist dem Senat zu kompliziert

Das von einer Bürgerinitiative vorgeschlagene neue Wahlrecht eignet sich nach Ansicht des Senates nur "für eine politische Elite". Ein Teil der Ideen verstoße sogar gegen die Landesverfassung und sei daher unzulässig

Wenn es nach den Vorschlägen von "Mehr Demokratie" geht, dann soll aus diesem schlanken Wahlzettel künftig ein umfangreicheres Wahlbuch werden Bild: AP

Der Senat lehnt das Volksbegehren des Vereins "Mehr Demokratie" für eine Reform des Wahlrechts ab. "Das ist so kompliziert, dass es sich nur für eine politische Elite eignet, aber nicht für Otto-Normal-Verbraucher", sagte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) am Dienstag.

Früherer Artikel

Die Initiative "Mehr Demokratie" hatte am 14. August mehr als 20.000 gültige Unterschriften abgegeben, um die Wahl zum Abgeordnetenhaus und den Bezirksparlamenten grundlegend zu überarbeiten. Im nächsten Schritt kann zunächst das Abgeordnetenhaus entscheiden, ob es die Vorschläge annimmt - eine Mehrheit dafür ist allerdings nicht in Sicht. Um das neue Wahlrecht trotzdem durchzusetzen, muss "Mehr Demokratie" zusammen mit seinen Bündnispartnern 170.000 Unterschriften sammeln. Anschließend könnten die Berliner verbindlich über die Ideen abstimmen.

"Mehr Demokratie" will mit seinen Vorschlägen erreichen, dass die Wähler künftig deutlich mehr Einfluss darauf haben, wer für sie im Parlament sitzt. Dafür sollen die Wähler etwa nicht nur eine Zweitstimme zur Wahl einer Partei haben, sondern gleich fünf. Damit könne man auch Koalitionen wählen, indem man zum Beispiel drei ihrer Zweitstimmen an die SPD vergeben und zwei Stimmen an die Linkspartei. Und bei jeder gewählten Partei sollen die Wähler auch die Listen mit den Kandidaten neu durchnummerieren können. Damit sollen auch Kandidaten, die weiter hinten auf der Liste stehen, die Chance auf den Einzug ins Parlament haben. Wer alle Möglichkeiten ausschöpfen will, müsste im Wahllokal mehrere hundert Kreuze machen.

Körting sagte, die Initiatoren hätten ihre Vorschläge zwar "brillant durchdacht", doch dabei sei auf der Strecke geblieben, dass das Wahlrecht "verständlich für alle" sein solle. "Das ist für mich nicht mehr Demokratie, sondern weniger Demokratie, denn es ist eine Demokratie für Wenige", so der Innensenator.

Andere Vorschläge sind nach Ansicht des Senates unzulässig, weil sie gegen die Landesverfassung verstoßen sollen. Das betrifft die Idee, dass die Wahlkreise größer werden sollen, in denen die Wähler mit ihrer Erststimme bisher einen Direktkandidaten wählen. In Zukunft sollen gleich drei bis sieben Kandidaten gewählt werden. Genauso betroffen ist der Vorschlag mit der Ersatz-Zweitstimme: Für den Fall, dass eine der mit den fünf Zweitstimmen gewählten Partei an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert, geht die Stimme an die mit der Ersatzstimme gewählte Partei. Beide Vorschläge sollen die Chancen von kleinen Parteien erhöhen. Gegen die Einschätzung des Senates, kann "Mehr Demokratie" vor dem Landesverfassungsgericht klagen.

Laut Vorstandsmitglied Michael Efler ist noch nicht entschieden, ob der Verein klagt. Zu dem Vorwurf, die Vorschläge seien zu kompliziert, sagte er: "Es ist nicht die Sache des Senates, das zu kommentieren." Die Entscheidung über die Ideen habe allein das Abgeordnetenhaus zu treffen. SEBASTIAN HEISER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • F
    Flo

    Ich glaube auch, dass der Herr Körting und die anderen Kritiker dieser Reformideen eher Angst darum haben deswegen nächstes Mal nicht wieder gewählt zu werden.

    Mein Vorredner Michael U. hat es schon dargelegt, so kompliziert kann das Wahlsystem nicht sein, wenn schon viele andere damit klarkommen.

    Mit ordentlicher Aufklärungsarbeit würden auch viele Berliner da neue System verstehen. Aufklärung??? Nee, an sowas haben viele Poltiker keine Intresse schließlich wollen sie ihre Macht behalten und haben berechtigterweise Angst, dass sie diese verlieren, wenn die Leute auf einmal viel mehr Wissen.

     

    "Das ist so kompliziert, dass es sich nur für eine politische Elite eignet, aber nicht für Otto-Normal-Verbraucher", sagte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) am Dienstag.

    Der gute ;) Innensenator hält sein Wahlvolk ja für ziemlich dumm. Naja, muss man vielleicht auch als Selbstkritik interpretieren. Schließlich waren sie so dumm, Leute wie ihn zu wählen oder zumindest es zuzulassen, dass Leute wie er Innensenator werden. Er weiß selbst, wenn auch nur in seinem Unterbewußtsein, dass mit Leuten wie ihm keine ordentliche Politik für die Menschen gemacht werden kann, deswegen sagt er wohl solche Sachen.

     

    "Das ist für mich nicht mehr Demokratie, sondern weniger Demokratie, denn es ist eine Demokratie für Wenige"

    Jo das trifft auf das jetzige Wahlsystem zu, denn das Wahlvolk wählt wenige aus und hofft, dass die dann alles toll machen. Das würde ich eher als Demokratie für wenige bezeichnen, denn nur wenige fällen demokratische Entscheidungen (die Abgeordneten) über viele (die Bewohner, von denen nicht mal alle Abgeordnete wählen dürfen). Daran würden die Ideen der Initiative "mehr Demokretie" vielleicht ein bisschen was verbessern. Nicht viel, aber das sind erste wichtige Schritte in die richtige Richtung.

    MfG

    Flo

  • MU
    Michael U.

    Es ist zu kompliziert? Man man, was müssen die Bayern , Hessen und Baden-Württemberger oder die Iren, Neuseeländer und gar die Hamburger doch für schlaue Leute sein, wenn die deutlich kompliziertere Wahlsystem als das Berliner System verstehen...

    Und selbst wers nicht versteht kann immer noch nach althergebrachten Muster wählen: zwei Kreuze und fertig.

    Die Herren Politiker haben einfach nur Angst, dass man ihnen ihre im Vorfeld sauber ausgekungelten Listen kaputt macht...