Wahlnachlese: "Die flachste Flachpfeife"
Der SPD-Kreisvorstand greift Wahlverlierer Danial Ilkhanipour scharf an. Dessen erwartete Entschuldigung bleibt aus. Olaf Scholz wird Eimsbüttler Abgeordneter.
Die erwartete Entschuldigung blieb aus. Auf der mit Spannung erwarteten Eimsbüttler SPD-Kreisvorstandssitzung übernahm Danial Ilkhanipour am Mittwochabend zwar die offizielle Verantwortung für seine Erdrutsch-Niederlage, doch sein 25-minütiger Beitrag löste bei den Genossen nur Kopfschütteln aus. Das von vielen erwartete Eingeständnis, dass seine handstreichartige Kampfkandidatur gegen den bisherigen SPD-Abgeordneten Niels Annen ein Fehler gewesen sei, fand nicht statt. Immerhin: Seine Ankündigung vom Wahlabend, in vier Jahren erneut für den Bundestag zu kandidieren, erneuerte der 27-Jährige vor den gut 60 Anwesenden nicht.
"Ich hätte mir deutlichere Worte gewünscht", formuliert Kreischef Milan Pein diplomatisch. Andere Genossen finden klarere Worte: "Ilkhanipour ist zu jeder wirklichen Selbstkritik unfähig", sagt ein Kreisvorstands-Mitglied nach der dreieinhalbstündigen Sitzung. "An Belanglosigkeit nicht zu überbieten", sei Ilkhanipours Rede gewesen, findet der Bürgerschaftsabgeordnete Martin Schäfer. Es sei aber "allen klar geworden, dass wir fast die flachste Flachpfeife nach Berlin geschickt hätten, einen Kandidaten, der fachlich wie menschlich völlig ungeeignet ist".
Vor Ilkhanipours Rede hatten die Genossen zweieinhalb Stunden lang ihrem Frust freien Lauf gelassen, Ilkhanipour in einer "schonungslosen Debatte" (Milan Pein) scharf attackiert. Der wegen Ilkhanipour zurückgetretene ehemalige Eimsbüttler SPD-Chef Jan Pörksen, Schäfer, die ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete Elisabeth Kiausch und viele andere nahmen kein Blatt vor den Mund.
"Die Versammlung hat klar gemacht, dass an der Niederlage nicht diejenigen schuld sind, die Ilkhanipours Wahlkampf nicht unterstützen mochten, sondern allein die Art, wie er sich seine Kandidatur erschlichen hat", resümiert Schäfer die Debatte. "Eine Umdeutung dieses Wahlergebnisses werde ich nicht zulassen", ergänzt Pein.
Die Angriffe gegen den Wahlverlierer wurden dabei zum Teil so persönlich, dass der Kreischef mehreren Genossen in die Parade fahren musste. Aufforderungen wie "pack endlich deine Sachen und hau ab" waren keine Einzelmeinung.
Doch das Scherbengericht blieb relativ folgenlos. Da Ilkhanipour keine wichtigen Posten in der SPD hält, kann er auch keine räumen. Allerdings bereiten mehrere Distrikte einen Antrag für einen der kommenden SPD-Landesparteitage vor, der die Wiederholung eines Kandidatenputsches à la Ilkhanipour verhindern soll. Danach werden die SPD-Bundestagskandidaten in Zukunft nicht mehr von Delegierten, sondern auf einer Kreis-Mitgliederversammlung von allen aktiven Genossen des jeweiligen Bezirks gewählt.
Auf Zustimmung traf eine Absichtserklärung, die der Bundestagsabgeordnete und designierte Landeschef Olaf Scholz den versammelten Genossen durch seinen Büroleiter überbringen ließ. Er wolle, so Scholz, in Zukunft nicht nur die Interessen seines Wahlkreises Altona, sondern auch die Eimsbüttels im Bundestag vertreten, kündigte der neue starke Mann der Hamburger SPD an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“