Wahlkampfgetöse in Schleswig-Holstein: Schultheater in Kiel
In Schleswig-Holstein zofft sich die Koalition um Lehrerstellen. Die Opposition fordert einen Nachtragshaushalt. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen ist genervt.
Die schleswig-holsteinische Politik hat zum wiederholten Mal Schultheater-Tage ausgerufen: Erst preschte Bildungsminister Ekkehard Klug (FDP) mit der - offenbar weder mit dem Koalitionspartner noch der eigenen Partei abgesprochenen - Forderung vor, 453 Lehrerstellen weniger zu streichen als geplant.
Am gestrigen Donnerstag taten sich die Oppositionsparteien SPD, Grüne und SSW zusammen und forderten die schwarz-gelbe Regierung auf, per Nachtragshaushalt 300 Lehrerstellen weniger abzubauen. Klar ist allen Beteiligten, worum es in Wahrheit geht: Wahlkampfgetöse.
"Ich bin angefressen", sagte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) zum Vorstoß Klugs, von dem der Rest des Kabinetts aus Medienberichten erfahren hatte. Bereits Ende vergangenen Jahres hatte die FDP überraschend bei einem Parteitag beschlossen, dass an den Schulen im Land 300 Stellen weniger abgebaut werden sollen. Stellenstreichungen sind möglich, weil immer weniger Kinder unterrichtet werden.
Die Parteien streiten aber, wie weit sie diese "demografische Rendite" ausschöpfen. CDU und FDP hatten sich auf den Abbau von 3.600 Stellen bis 2020 geeinigt. Es ist ein Baustein im Sparkonzept der Landesregierung, um Schleswig-Holsteins Schuldenberg zu reduzieren.
In einer Pressekonferenz am Donnerstag forderten SPD, Grüne und SSW die schwarz-gelbe Landesregierung auf, die Kürzung von 300 Lehrerstellen zum nächsten Schuljahr zurückzunehmen. Am heutigen Freitag soll der Antrag im Parlament beraten werden. Bereits im Dezember stimmten die Abgeordneten über diese Frage ab, damals lehnten CDU und FDP ab. Auch jetzt machte Carstensen deutlich, dass es keinen Nachtragshaushalt geben werde. 450 Lehrerstellen mehr würden knapp 23 Millionen Euro pro Jahr kosten.
Die Opposition genießt das Spektakel: Von "Torschlusspanik" sprach Ralf Stegner (SPD), der Grüne Robert Habeck riet der CDU, es zu machen wie die Parteifreunde im Saarland und die Koalition gleich zu beenden. Die Lehrergewerkschaft GEW kommentierte: "Sollte sich der Opportunismus der FDP in dieser Geschwindigkeit weiterentwickeln, wird sie sich wahrscheinlich noch bis zu den Landtagswahlen der alten GEW-Forderung anschließen, alle Mittel im Bildungssystem zu belassen."
Am Samstag kommt der Landesvorstand der FDP in Schleswig-Holstein in Bad Bramstedt zur Klausurtagung zusammen. Die Stimmung hinter den verschlossenen Türen dürfte schlecht sein, denn die Freien Liberalen sind weiter im freien Fall. Auch wenn der Spitzenmann Wolfgang Kubicki beim Listenparteitag in der vergangenen Woche bei der Landtagswahl im Mai ein Ergebnis von zehn Prozent vorhersagte - Umfragen ergeben ein anderes Bild. So sieht das Forschungsinstitut Emnid die Partei mit vier Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!