Wahlkampf in Nigeria: Gegenwind für Großparteien
Vor Nigerias Wahlen stiehlt Überraschungskandidat Peter Obi den beiden größten Parteien die Show. Jetzt unterstützt ihn sogar Expräsident Obasanjo.
Die PDP hofft eigentlich in diesem Jahr auf eine Rückkehr an die Macht, nachdem sie Nigeria ununterbrochen von 1999 bis 2015 regierte und dann die Macht an den APC (All Progressives Congress) des aktuellen Präsidenten und Exmilitärherrschers Muhammadu Buhari verlor. Der kandidiert nun im Alter von 80 Jahren nach zwei gewählten Amtszeiten nicht erneut.
Obasanjo sagte vergangene Woche, Nigeria sei unter Buhari zur „Hölle“ geworden. Präsidentensprecher Mallam Garba Shehu reagierte beleidigt und sagte: „Wie wir schon früher gesagt haben, stand Herr Obasanjos Amtszeit von 1999 und 2007 für düstere Tage der nigerianischen Demokratie wegen einer Reihe von Angriffen auf die Verfassung.“
Die Lobbyorganisation SERG (South East Revival Group) der Igbo-Volksgruppe, die als einzige der drei großen Volksgruppen Nigerias noch nie einen Präsidenten gestellt hat und zu der Peter Obi gehört, freute sich hingegen über Obasanjos Positionierung als „willkommene Entwicklung“ und forderte die Präsidentschaftskandidaten der beiden großen Partei PDP und APC dazu auf, sich aus dem Rennen zurückzuziehen und dem „Kandidaten des Volkes“ das Amt zu überlassen.
Dies sei historische Gerechtigkeit, nachdem bisher die Macht in Nigeria zwischen dem mehrheitlich muslimischen Norden und dem mehrheitlich christlichen Süden hin- und hergegangen sei und der Südosten, Hochburg der Igbos, noch nie das gesamte Land regieren durfte.
Zwei Muslime treten an
„Lange vor den Vorwahlen zur Präsidentschaft haben alle Liebhaber von Gerechtigkeit und Fairness die politischen Parteien Nigerias aufgefordert, ihre Präsidentschaftskandidaturen 2023 dem Südosten zu überlassen“, erklärte SERG-Präsident Willy Ezugwu. Auch der Igbo-Kulturverband Ohanaeze hat sich hinter Obi gestellt.
Der aktuelle Präsident Muhammadu Buhari ist ein Muslim aus dem Norden; er folgte auf den Christen Goodluck Jonathan aus dem Süden. Der folgte auf den Muslim Umaru Musa Yar'Adua aus dem Norden, der im Amt starb; dieser war wiederum Nachfolger des Christen Olusegun Obasanjo aus dem Süden.
Diesmal tritt für die PDP der Muslim Alhaji Atiku Abubakar (76) aus dem Norden an, der schon mehrere Wahlen verloren hat, während der regierende APC mit einem Muslim aus dem Süden antritt: Alhaji Bola Ahmed Tinubu (70), ehemaliger Gouverneur der größten nigerianischen Stadt Lagos.
Die unübliche Konstellation, dass beide großen Parteien mit einem Muslim ins Rennen gehen, hat nun den Kulturverband der im Südwesten um Lagos dominiernden Volksgruppe der Yoruba, Afenifere, dazu geführt, zur Wahl eines Kandidaten aus dem Südosten aufzurufen anstelle des Südwestlers Tinubu. „Im Geiste der Fairness und der Einheit“ sowie auf Grundlage der „Moral“ sei jetzt der Südosten dran, sagte Afenifere-Führer Ayo Adebanjo.
Zerrissenheit im Wahlkampf
Nachdem auch der Igbo-Kulturverband Ohanaeze Peter Obi unterstützt, schart der 61-Jährige damit die beiden wichtigsten traditionellen Organisationen Südnigerias, die in Teilen der Bevölkerung viel einflussreicher sind als die politischen Parteien, hinter sich.
Peter Obi, ehemaliger PDP-Gouveneur des südostnigerianischen Bundesstaates Anambra, verließ die Partei 2022 und ging zur zuvor bedeutungslosen Labour Party über. Er und sein Vizekandidat Yusuf Datti Baba-Ahmed seien „jung und ohne Korruptionsaltlasten“, behauptet SERG-Führer Ezugwu. „Dass Expräsident Obasanajo dieses Ticket unterstützt, gibt dem Land eine Richtung und Hoffnung auf Genesung nach Jahren der Misswirtschaft.“
Ein weiterer ehemaliger PDP-Gouverneur, Rabiu Kwankwaso aus Kano, tritt ebenfalls mit einer eigenen Partei an, der NNPP (New Nigeria People's Party). Die Zerrissenheit der einst mächtigsten politischen Kraft des Landes überschattet nun den kommenden Wahlkampf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers