Wahlkampf in Niedersachen: Alle gegen einen
Niedersachsens Innenminister Schünemann ist einsam: In seinem Wahlkreis haben sich SPD und Grüne gegen ihn verbündet, die Landes-CDU ignoriert ihn.
HANNOVER taz | Im Endspurt ist Uwe Schünemann auf sich selbst gestellt. Im 24-Stunden-Takt kündigt die Niedersachsen-CDU dieser Tage Wahlkampftermine von Ministerpräsident David McAllister, Kultusminister Bernd Althusmann oder Sozialministerin Aygül Özkan an. Niedersachsens Innenminister aber sucht man darunter vergeblich.
Und während Parteipromis von Kanzlerin Angela Merkel bis zu Bundessozialministerin Ursula von der Leyen derzeit durchs Land touren, ist in Schünemanns Heimatwahlkreis Holzminden laut der Landes-CDU kein hoher Besuch geplant. Auch in McAllisters Terminplan sind weder eine Visite bei seinem Innenminister noch gemeinsame Wahlkampfauftritte vorgesehen. Der „abendliche Bummel“ über den Weihnachtsmarkt daheim bei Kultusminister Althusmann in Lüneburg ist dagegen auf McAllisters Facebook-Seite verewigt. Mit Foto.
Dabei könnte Schünemann Unterstützung gebrauchen: Schon in Holzminden, wo er seit 1997 CDU-Kreisverbandschef ist, droht ihm Gegenwind. Für die Landtagswahl am 20. Januar haben sich dort Rot und Grün gegen ihn verbündet: Die SPD-Direktkandidatin Sabine Tippelt und ihr Grünen-Pendant Christian Meyer rufen dazu auf, mit der Erststimme SPD und der Zweitstimme die Grünen zu wählen. Dafür werben sie mit Anzeigen in der Lokalpresse und treten gemeinsam auf. Erst am Dienstag sprach die SPD-Frau bei einer Grünen-Wahlkampfveranstaltung mit Bundestagsfraktionschef Jürgen Trittin das Grußwort.
geboren 1964 in Stadtoldendorf (Landkreis Holzminden)
evangelisch, verheiratet, zwei Kinder
Abitur, Ausbildung zum Industriekaufmann
Grundwehrdienst beim Pionierbataillon 1, Holzminden
1979 Beitritt zur Jungen Union
ab 1984 CDU-Mitglied
1996-1999 Bürgermeister von Holzminden
seit 1994 Mitglied des Landtags
1998-2003 parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion
seit 2003 niedersächsischer Minister für Inneres und Sport
Man wolle unbedingt verhindern, dass der „Abschiebeminister und Rechtsausleger Schünemann“ den Wahlkreis gewinnt, sagt Meyer. In seiner Wahlkampfbroschüre schreibt er, ein Innenminister, „der Familien auseinanderreißt und abschiebt“, handele „zutiefst unchristlich“ und sei „unwählbar“.
Der Internetdienst election.de sieht für die Landtagswahl in Holzminden mal einen Vorsprung für Schwarz, mal für Rot, zuletzt wieder für Schwarz. 2008 hatte Schünemann die Direktkandidatur noch mit über 47 Prozent sicher gewonnen. Ende 2011 dann stürzte seine CDU bei der Kreistagswahl von 38,4 auf 30,5 Prozent ab, SPD und Grüne erreichten eine komfortable absolute Mehrheit.
Seinen Vorsprung muss Schünemann aber dringend ausbauen: Auf der CDU-Landesliste steht er nur auf Platz fünf, hinter Sozialministerin Özkan und Kultusminister Althusmann, deren Wahlkreise ebenfalls wackeln. Fraglich ist zudem, ob die Liste überhaupt zum Einsatz kommt: 2008 gewann die CDU 68 der 87 Wahlkreise über die Erststimmen. Damit hatte sie schon mehr Mandate erreicht, als ihr nach ihrem Zweitstimmenergebnis zustand – die Landesliste zog erst gar nicht. Verliert Schünemann seinen Wahlkreis, könnte es mit einem Landtagsmandat also knapp werden.
Im CDU-Wahlkampf spielt der Minister dennoch „keine Sonderrolle“, wie ein Parteisprecher erklärt. Man setze vor allem auf Spitzenkandidat McAllister oder Themen wie Bildung oder Finanzen – nicht aber auf die Innenpolitik. Auch bei diesem Schwerpunkt indes lag Schünemann zuletzt kräftig daneben: Noch im Herbst 2012 forderte er die Aussetzung der Visumfreiheit für Serbien und Mazedonien. Schünemann prognostizierte „sprunghaft“ wachsende Flüchtlingsströme aus dem Westbalkan und massenhaften Asylmissbrauch, weil nach einem Bundesverfassungsgerichtsurteil die Sozialleistungen für Asylbewerber erhöht werden mussten.
Flüchtlingsorganisationen erkannten „Panikmache“. Dafür sprechen auch die Zahlen, die Schünemanns Ministerium selbst vorlegte: Demnach wurden 2012 in Niedersachsen zwar 3.904 Asylbewerber registriert statt 2.852 wie im Vorjahr. Zuwachs aus Balkanländern aber gab es nur temporär: Die Zahl der Flüchtlinge von dort stieg zwischen August und September 2012 von 181 auf 500. Im Dezember waren es dann nur noch 122.
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