Wahlkampf der CDU: Redet bloß nicht wie sie!
Merkels Reden schläfern ein, sie meidet klare Aussagen. Die CDU rät ihren Wahlkämpfern in einem internen Papier lieber zur bildhaften Sprache.
BERLIN taz | Die Kanzlerin liebt die einfache Sprache nicht, um es vorsichtig zu formulieren. Angela Merkels Rede fließt träge dahin wie ein trüber Fluss, der jeden klaren Gedanken langsam wegspült. Merkel meidet Polarisierungen, sie umschifft Festlegungen, sie schläfert die Zuhörer mit Schachtelsätzen ein, die so wenig sagen, dass sie schon wieder Kunstwerke sind.
Über Merkels diffuse Rhetorik und das Kalkül, das dahintersteht, wurde viel philosophiert. Es ist ja auch wirklich erstaunlich, wie erfolgreich sie damit ist, lieber zu verschleiern, als sich bei Festlegungen ertappen zu lassen. Umso bemerkenswerter ist, dass die CDU ihrer wahlkämpfenden Basis Klartext verordnet. Das belegt eine Broschüre mit dem Titel „Die richtigen Worte finden“, die die Marketingabteilung als Handreichung für ihre Wahlkämpfer verfasst hat.
Es ist ein Grundkurs auf 16 Seiten: Die CDU verstehen leicht gemacht. Pädagogisch wertvoll startet das Papier mit den fünf wichtigsten Tipps für eine gute Sprache. „Seien Sie persönlich!“, heißt es da – ein Brief an eine 70-jährige Berlinerin müsse anders aussehen als einer an einen 21-jährigen Kölner. „Sprechen Sie einfach, bildhaft, emotional!“, „Liefern Sie Information plus Emotion!“, und: „Überraschen Sie!“ Denn nichts sei wirkungsvoller als ein Aha-Effekt.
Die Studie: Zu lange Sätze, unverständliche Begriffe, englische Einsprengsel: Die Programme der Parteien zur Bundestagswahl sind in weiten Teilen nur schwer verständlich. Zu diesem Ergebnis kommt eine noch unveröffentlichte Studie, über deren Ergebnisse die Welt am Sonntag berichtet.
Die Reihenfolge: Auf einer Skala von 0 (sehr unverständlich) bis 20 (sehr verständlich) erzielt danach die Union mit einem Wert von 9,9 das beste Ergebnis. Die Grünen kommen auf den zweiten Platz. Es folgen die Linkspartei, die SPD und die FDP mit etwa gleich hohen Werten. Schlusslicht sind die Piraten, die nur wenig über den Verständlichkeitswerten für eine politikwissenschaftliche Doktorarbeit liegen. Untersucht hat die Programme das Institut für Kommunikationswissenschaften an der Universität Hohenheim. (epd)
Spätestens an dieser Stelle seufzt man unwillkürlich. Hach ja, Emotionen, Bilder, Aha-Effekte, das wäre was. Die CDU sollte ihre Vorsitzende per Vorstandsbeschluss zwangsverpflichten, die eigenen Tipps zu beherzigen. Stattdessen merkelt Merkel munter drauflos. Als sie bei ihrer Sommerpressekonferenz im Juli gefragt wurde, ob sie dem Whistleblower Edward Snowden dankbar sei, dass er die Ausspähung des US-Geheimdienstes öffentlich gemacht hatte, redete Merkel eine geschlagene Minute lang. Und sagte: nichts.
Alles klar?
Aus Platzgründen hier nur ein Auszug: „Durch die Öffentlichmachung beschäftigen wir uns jetzt damit, und als Politikerin bin ich gegenüber der deutschen Bevölkerung verpflichtet, das zu tun, was in meinen Möglichkeiten steht […] Ich bin aber die Chefin der Regierung und muss zum Schluss den politischen Rahmen definieren und sagen: Was will ich? Und da will ich, dass auf deutschem Boden deutsches Recht eingehalten wird.“
Alles klar? Wenn Merkel die Broschüre ihrer Marketingprofis gelesen hat, weiß sie, was solche Antworten beim Publikum bewirken. „Ihr Gehirn ist knallharter Energiesparer“, schreiben sie weiter. „Der Leser oder Hörer wird nur am Ball bleiben, wenn es verständlich, interessant und relevant ist – sonst schaltet er ab.“
Wer einmal den Versuch gemacht hat, einer Regierungserklärung der Kanzlerin im Bundestag bis zum Schluss zuzuhören, weiß, dass sich sich eine gewisse Erschöpfung ziemlich schnell einstellt. Die CDU erklärt ihren eigenen Leuten also quasi unfreiwillig die Taktik ihrer Vorsitzenden. Geht es Merkel am Ende darum, dass die Zuhörer schnell abschalten?
Kurze Sätze, kein Amtsdeutsch
Schließlich lauten weitere Rhetoriktipps, kurze Sätze zu bilden (ab 15 Wörtern wird es unverständlich), keine Schachtelsätze zu benutzen und auf Amtsdeutsch zu verzichten. Alles Dinge, die die Kanzlerin sehr gerne, wenn nicht immer ignoriert. Auch das „Kleine Lexikon für Wahlkämpfer“ möchte man Merkel sehr ans Herz legen.
So sei zum Beispiel falsch, Fremdwörter wie „Haushaltskonsolidierung“ oder „qualifizierte Zuwanderung“ einzustreuen. Stattdessen sprechen brave CDU-Wahlkämpfer lieber davon, keine neuen Schulden zu machen. Oder davon, kluge Köpfe nach Deutschland zu holen.
Im Grunde lässt sich der Rat, den die CDU ihren Wahlkämpfern für eine erfolgreiche Wähleransprache erteilt, in einem Satz zusammenfassen: Redet bloß nicht wie eure Kanzlerin.
Leser*innenkommentare
Lerche
Gast
Mit Musik geht auch die Bundestagswahl besser. Wo ist
sie? In GOOGLE bei "Wahllieder".
Tadeusz Kantor
Psst! Sie schläft.
sarko
Gast
42 % der deutschen Michelinen und Michels stehen auf das Merkel'sche om om om heiapopeia : sie wollen nicht gestört oder gar aufgeweckt werden , nichts soll sich merk(e)lich ändern , es reicht ja , dass das böse Erwachen irgendwann unvermeidlich kommen wird . Merkel hat die Michels&Michelinen richtig verstanden .
freidenker
Gast
@sarko jup, damit sagst Du genau was ich auch denke.
unbenannt
Gast
Wenn man bedenkt, wie gut Politiker von Steuergeldern bezahlt werden, ist der Bundestag nur 1/4 besetzt,
Frau Merkel scheint der Meinung zu sein, Arbeitsschlaf ist der beste Schlaf. Bei einem Gesamtgehalt von 300.000 € muss das schon drin sein. Oder ?
Der normale Angestellte bekäme mindestens eine Abmahnung, aber sie ist eh unkündbar.
joHnny
Gast
"OHV AM 2013"
Kaboom
Gast
Das Geheimnis von Angela Merkel ist einfach: Sie ist schlecht. Sie ist sogar furchtbar schlecht. Aber weil die Opposition, vor allem die SPD in wirklich erbarmungswürdigen Zustand ist, werden von den Medien - die übrigens in beinahe ebenso desaströsem Zustand sind wie die SPD - Legenden um Merkel gestrickt.
Zum Dank ruiniert Merkel die Beziehungen zum "Rest der Welt", und isoliert Deutschland in Europa.
Solange Merkel dieses Land regiert, kann man nur eines hoffen: Das keine Situation auftritt, die schnelles Handeln erfordert. Oder überhaupt Handeln.
gerstenmeyer
Gast
aber so schlecht sie auch ihrer meinung nach ist-herr kaboom-
sie ist immer noch besser wie pannen-peer,der wäre eine zumutung für das international parkett-seine ironischen kalauer wie der mit der fahrradkette findet dort niemand lostig-oder?
D. ESSER
Gast
@ GERSTENMEYER
Genau das ist eine sehr gefährliche Einstellung. Denn Scheiße in verschiedenen Geschmacksrichtungen sind keine Wahlalternativen. SPD ist nicht wählbar, CDU ebenfalls nicht - beide tun das Gleiche: sie fahren seit Jahrzehnten die Karre in den Dreck. Auf Nuancen kommt es nicht an. Ich wähle nicht weniger schlecht, sondern den, der Schuldenabbau einführt, Altersarmut verhindert, Macht der Banken bricht, Steuersystem vereinfacht, sozialen Freden sichert... Ach, Sie sehen niemand, der das alles tut? Ich auch nicht. Aber Merkel tut so als ob. Und es muss klar sein, dass man ihr nicht zutraut. Deshalb kann man nur folgende wählen: Linke, AfD, Piraten.... Wenn die jeweils mit 15 % ins Parlament einzögen, dann wüssten CDU UND SPD mal, was der mündige Bürger von Ihnen hält.