■ McCash Flows Orakel: Wahlium für Börse
„Jetzt Aktien kaufen - und nach der Wahl kassieren“ empfahl das Wirtschaftsmagazin „Capital“ im Oktober 1986 mit Bankier Herbert H. Jacobi (Halbbrille, Zigarillo) auf dem Titel - im Heft sang dann der Herr vom Bankhaus Trinkaus & Burkhard das Hohe Lied auf bundesdeutsche Blue Chips. Den Anlegern legte er Daimler zu 1.307 DM mit Kurschance 1.500 ans Herz (Kurs heute: 950 DM), Thyssen zu 164 mit Chance 240 (heute: 110), BMW zu 630 mit Chance 740 (heute: 500), und auch die anderen 30 Standardaktien aus dem „Capital“–Empfehlungspotpourri liegen, mit spärlichen Ausnahmen, Anfang Februar deutlich unter ihrem Einstandskurs. Die Wahl, die sich als Renner erweisen sollte, wurde ein Reinfall. Nach dem 25. Januar konnte man gar den Eindruck gewinnen, daß die Börse die psychische Grausamkeit von weiteren vier Jahren Kohl (und nicht die FAZ–Meinung vom zwar geschwächten, aber doch soliden konservativ–liberalen Block) antizipiert - die Kurse purzelten mit zweistelligen Abschlägen, wobei vor allem die Favoriten der ausländischen Anleger unter Abgabedruck standen, Großchemie–, Auto–, Finanz–Papiere. Die Ausländer nutzen die hohe DM und die immer noch stattlichen Kurse zu Gewinnmitnahmen, die strammen Kursrückgänge deuten an, wie eng Hausse und Baisse an deutschen Börsen an ausländisches Kapital gekoppelt sind. Wovon Frankfurt profitierte, als der Dollar hoch stand, das kommt jetzt Wall Street zugute, wo man nahezu täglich in neuen Umsatz– und Index–Rekorden schwelgt. Es sind also nicht die Dellen der Birnen–Regierung, sondern der Ausverkauf des Dollars, der den deutschen Aktien– markt drückt, so energisch, daß die Anlageberater der Börsenbriefe zusehends im Dunkeln tappen. Den sofortigen Ausstieg aus deutschen und Einstieg in amerikanische, australische, spanische, italienische Aktien empfiehlt jedenfalls keiner der Tip–Geber, wer will schon die Kurse an der Heimatbörse herunterreden.
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