Wahlfälschung in Malawi: Richter annullieren Wahl
Das Verfassungsgericht hebt das Wahlergebnis von Mai 2019 auf und setzt Neuwahlen an. Die offiziellen Ergebnisse damals waren krude manipuliert.
Feuerwerke und Freudenfeiern in der größten malawischen Stadt Blantyre begrüßten in der Nacht zu Dienstag das Urteil vom Montagabend, wonach die Wahl gefälscht und daher null und nichtig sei. Das Urteil setzt neue Standards für Wahlen in Afrika – es ist die zweite gerichtliche Wahlannullierung wegen Fälschung nach Kenia 2017.
Die Richter in der Hauptstadt Lilongwe sprachen in ihrem Urteil von verbreiteter Fälschung, Manipulation und weiteren Vergehen, die den Wahlausgang zugunsten des Amtsinhabers Peter Mutharika beeinflussten. Mutharika bleibt nun bis zu Neuwahlen geschäftsführend im Amt, aber Parlamentarier und Gemeinderäte sind ihrer Ämter enthoben worden. Neuwahlen müssen innerhalb von 150 Tagen stattfinden.
Die Verfassungsrichter gaben einer Klage der beiden Oppositionsführer Lazarus Chakwera (MCP – Malawi Congress Party) und Saulos Chilima (UTM – United Transformation Movement) statt. Bei den Wahlen am 21. Mai 2019 hatte Präsident Mutharika den offiziellen Ergebnissen zufolge knapp gesiegt: er kam auf 1.940.709 Stimmen (38,6 Prozent), knapp vor Chakwera mit 1.781.740 (35,4 Prozent).
Chilima, der als Vizepräsident gegen den Präsidenten kandidiert hatte, lag mit 20 Prozent auf dem dritten Platz. Im Parlament wurde Mutharikas Partei DPP (Democratic Progressive Party) mit 62 der 193 Sitze stärkste Kraft.
Ergebnisse mit Tippex gefälscht
Es war der knappste Wahlausgang in Malawi seit der Unabhängigkeit von Großbritannien 1964, und die Opposition sprach sofort von Fälschung, da im Laufe der Auszählung Fotos zirkulierten, wonach offizielle Teilergebnisprotokolle mit Tippex „korrigiert“ worden waren, nachdem alle Parteien sie unterschrieben und bestätigt hatten. Bei Protesten wurde ein Polizist von einer wütenden Menge zu Tode gesteinigt, eine Demonstrantin wurde von Polizisten vergewaltigt.
Vor dem Richterspruch war die Angst vor neuen Unruhen groß. Manche Schulen und Unternehmen schlossen für die gesamte Woche. Vor wenigen Tagen wurde ein Bankier festgenommen, der versucht haben soll, die Richter zu bestechen, damit sie die Wahl bestätigen.
Nun aber überwiegt die Freude. „Ein großer Tag für Malawi und ein großer Tag für unsere Demokratie“, jubelte Chakwera nach dem Urteil. „Wir brauchen ein neues Malawi, in dem die Stimmen des Volkes respektiert und geschützt werden.“ Der Drittplazierte Chilima wurde vom Verfassungsgericht in sein Amt des Vizepräsidenten wiedereingesetzt, das er nach den Wahlen verloren hatte.
Ken Ndanga, Sprecher der regierenden DPP, spielte das Urteil herunter: „Der Richterspruch sagt nicht, dass eine politische Partei die Wahlen gefälscht habe. Er sagt bloß, dass die Wahlkommission die Wahlen vermasselt hat.“ Die Regierung scheint das Urteil auf dieser Grundlage zu akzeptieren. Ndanga nannte die Verfassungsrichter „fair, unabhängig und professionell“ und sagte, es wäre jetzt „fehlgeleitet“, Berufung einzulegen.
In Ruhe Richtung Neuwahlen
Atupele Muluzi von der Oppositionspartei UDF (United Democratic Front) rief dazu auf, vor den Neuwahlen den Frieden und die Einheit Malawis zu achten. Oppositionelle verlangen als erstes den Rücktritt von Jane Ansah, die Chefin der Wahlkommission. Sie soll auf keinen Fall die Neuwahlen ausrichten, fordern sie. Ansahs Unterstützer nennen diese Forderung Genderdiskriminierung.
Die Regionalgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC), die die Wahl 2019 noch in Ordnung gefunden hatte, begrüßte die Annullierung und lobte das Vertrauen der Malawier in ihrer Justiz. „SADC ruft alle Seiten dazu auf, Ruhe zu bewahren und die Vorbereitungen für Neuwahlen einzuleiten“, erklärte die tansanische SADC-Generalsekretärin Stergomana Tax.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin