Wahlen in Graz: Mohammed-Schmähung half nichts
Der FPÖ-Spitzenkandidatin Susanne Winter nutzen ihre islamfeindlichen Sprüche nichts: Grüne und Konservative sind die Gewinner der Wahl.
WIEN taz Bei den Kommunalwahlen in Graz, der zweitgrößten Stadt Österreichs, konnte die FPÖ zwar zulegen, blieb aber hinter den Erwartungen der Meinungsumfragen zurück. Nach islamfeindlichen Sprüchen der FPÖ-Spitzenkandidatin Susanne Winter hatte der Wahlgang überregionale Aufmerksamkeit erregt. Winter hatte vor einer Woche einen "islamischen Einwanderungs-Tsunami über Graz" herbeischwadroniert und den Propheten Mohammed als einen epileptischen Kinderschänder dargestellt (taz.de berichtete).
Seither stellte sich die Frage: Geht das Kalkül der Rechtspartei auf, mit radikalen Sprüchen Wähler zu mobilisieren? Noch am Samstag war es bei der Abschlusskundgebung zu Schlägereien zwischen Anhängern und Gegendemonstranten gekommen.
Zwar konnte die FPÖ von 8 Prozent deutlich auf 11,1 Prozent zulegen, doch lag der Zuwachs am unteren Rand der Prognosen: Die hatten der FPÖ noch vor den polarisierenden Äußerungen 11 bis 13 Prozent vorhergesagt. Die FPÖ blieb damit nicht nur hinter den Grünen, sondern auch hinter den Kommunisten zurück - als fünftstärkste Kraft. Demoskopen vermuten, die Mohammed-Beschimpfungen hätten potentielle Wähler eher verschreckt.
Die eigentlichen Wahlsieger sind dagegen Konservative und Grüne. Lokale Medien sprachen von einem "schwarz-grünen Erdrutsch mit sehr starken grünen Akzenten". Dass Siegfried Nagl, seit fünf Jahren Bürgermeister, seinen Posten behalten würde, war keine Überraschung. Dass seine ÖVP aber von 36 auf 37,5 Prozent nach dem großen Wahlsieg 2003 noch einmal zulegen konnte, hatten die Demoskopen nicht erwartet. Noch beeindruckender ist das Ergebnis der Grünen: Sie konnten ihren Anteil mit 14,5 Prozent fast verdoppeln - und sind damit drittstärkste Kraft.
Die Partei des ehemaligen FPÖ-Chefs Jörg Haider, das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), war zum ersten Mal in Graz zur Wahl angetreten: Mit Law-and-Order-Parolen gelang ihm aus den Stand 4,5 Prozent - und damit der Einzug in den Gemeinderat.
Die KPÖ verlor fast die Hälfte ihrer Stimmenanteile (20,8 Prozent) von 2003, konnte aber mit 11,4 Prozent immer noch das zweitbeste Ergebnis ihrer Geschichte einfahren. Landesrat Ernst Kaltenegger, der die Partei in Graz mit besonderem Einsatz für die Mieterrechte und die Erhaltung der Gemeindewohnungen groß gemacht hat, zeigte sich nicht unzufrieden. "Das letzte Mal war eine außergewöhnliche Situation", sagte Kaltenegger. "Es war uns bewusst, dass sich das nicht so einfach wiederholen lässt."
Die eigentlichen Verlierer sind aber die Sozialdemokraten, die vom bisherigen Tiefstand von 26 Prozent weiter auf 19,9 Prozent absackten. Spitzenkandidat Walter Ferk erklärte noch am Wahlabend seinen Rücktritt. Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) äußerte sich erschüttert und forderte einen Neuanfang der Grazer Parteisektion. Seine Partei hatte die steirische Metropole 18 Jahre lang regiert, bevor sie vor fünf Jahren hinter die ÖVP zurückfiel.
Die SPÖ bekam die Rechnung für eine Serie gebrochener Versprechen, die sie mit der bisherigen linken Mehrheit im Gemeinderat hätte durchsetzen können. Als einzig positive Konsequenz für sich persönlich sah Ferk, dass es ihm erspart bleibe, im Stadtsenat mit FPÖ-Frau Winter an einem Tisch sitzen zu müssen. Bei einer Podiumsdiskussion vor einigen Tagen wollte kein Vertreter einer anderen Partei der verbalradikalen Frontfrau der Rechten die Hand geben.
Sowohl im 56-sitzigen Gemeinderat als auch im neunköpfigen Stadtsenat wird die ÖVP einen Partner brauchen. Siegfried Nagl hatte schon im Wahlkampf mit den Grünen kokettiert. Die Grüne Frontfrau Lisa Rücker will nun verhandeln, wenngleich sie im Wahlkampf bislang immer ablehnend auf die Angebote der ÖVP reagiert hatte. Ein durchaus erfolgreiches schwarz-grünes Arbeitsübereinkommen gibt es seit drei Jahren im Land Oberösterreich. Auf Stadtebene wäre das ein Novum.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel