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Wahlen in Afghanistan800 Stimmlokale waren vorgetäuscht

Anhänger von Staatschef Karsai haben vor der Wahl Stimmlokale zum Schein eingerichtet und von dort tausende Stimmen für ihn gemeldet. In Kabul herrscht Streit über den Umgang mit dem Betrug.

Echte Wähler, echte Wahlzettel und echte Wahlurnen. In Afghanistan nicht selbstverständlich. Bild: dpa

WASHINGTON afp | Anhänger des afghanischen Staatschefs Hamid Karsai sollen vor der Präsidentschaftswahl im August hunderte Wahllokale zum Schein eingerichtet haben. Wie die Zeitung New York Times am Sonntag unter Berufung auf westliche und afghanische Quellen berichtete, gab es mindestens 800 Wahllokale nur auf dem Papier. Von ihnen seien jeweils tausende Stimmen für Karsai gemeldet worden, obwohl viele der Schein-Wahllokale gar nicht geöffnet hätten, sagte ein westlicher Diplomat der Zeitung.

Dem Bericht zufolge manipulierten Anhänger des Präsidenten zudem die Stimmabgabe in rund 800 rechtmäßig eingerichteten Wahllokalen. Dort seien zehntausende zusätzliche Stimmen abgegeben worden. In einigen Provinzen gab es demnach zehnmal mehr Stimmen für Karsai als es überhaupt Wähler gab.

Die meisten Betrügereien zu Gunsten von Karsai, so die Beobachter, hätten in den von Pashtunen dominierten Regionen Ost- und Westafghanistans stattgefunden. Dort war die Wahlbeteiligung besonders niedrig. Für Karsais Heimatprovinz, Kandahar, schätzten die Beobachter nur eine Beteiligung von 25.000 Wählern. Die vorläufigen Ergebnisse legen aber nahe, dass mehr als 350.000 Wahlzettel zur Auszählung eingereicht worden seien.

Waheed Omar, der Pressesprecher von Hamid Karsais Wahlkampagne bestätigte am Sonntag, dass es Fälle von Betrug gegeben hätte - begangen durch Anhänger verschiedener Kandidaten. Er bezichtigte jedoch die Gegner des Präsidenten, mit sensationellen Anschuldigungen gegen Karsai in den neuen Medien politisch punkten zu wollen. "Unserer Ansicht nach ist der einzige Ort, um Wahlfälschungen zu diskutieren, die die unabhängige Wahlkommission", so Waheed Omar. Die hatte schon am Sonntag wegen Unregelmäßigkeiten die Stimmen aus rund 450 Wahllokalen für ungültig erklärt.

Ein westlicher Beobachter in Kabul sagte gegenüber der New York Times, unter der internationalen Community und den afghanischen Politikern gebe es keine Einigung darüber, wie man mit den Betrugsanschuldigungen umgehen solle. Er glaube, dass die nächsten vier oder fünf Tage darüber entscheiden, ob der gesamte Wahlprozess annulliert werde oder nicht.

Der Urnengang am 20. August war von massiven Betrugsvorwürfen überschattet worden. Die unabhängige Wahlkommission erklärte wegen Unregelmäßigkeiten am Sonntag die Stimmen aus rund 450 Wahllokalen für ungültig.

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1 Kommentar

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  • G
    Gerda

    "Echte Wähler" steht unter dem Foto. Ich sehe "echte Wälerinnen" (hoffend, dass das Foto überhaupt echt ist).

     

    Gerade bezüglich Afghanistans kommt es darauf an, die Rechte der Frauen zu betonen, auch durch die Sprache.

     

    Bei den engstirnigen Talibantyrannen hätten Frauen gar kein Recht, außer zuhause zu sitzen.

     

    Die Bedrohung durch Taliban war der größte Betrug bei diesen Wahlen, was den im Artikel geschilderten Betrug aber nicht rechtfertigen soll.