piwik no script img

Wahlen im SudanDie Jungen haben die Schnauze voll

Erstmals seit 24 Jahren gibt es im Sudan halbwegs freie Wahlen. Auch wenn der sudanesische Machthaber Bashir gewinnen dürfte, regt sich zumindest ziviler Widerstand.

Wahlwerbung im Sudan. Bild: ap

NAIROBI taz | Die Opposition hatte gerade ihren Boykott angekündigt, da marschierten die Jugendlichen von Girifna bereits mit Transparenten vor der Zentrale der Wahlkommission in der sudanesischen Hauptstadt Khartum auf. "Wir wollen freie Wahlen", stand auf ihren Transparenten", oder auch nur: "Girifna", sudanesisch-arabischer Dialekt für "Wir haben die Schnauze voll".

Wenn die Wahlen, die am Sonntag im Sudan beginnen werden, etwas Gutes haben, dann, dass sich erstmals eine zivilgesellschaftliche Opposition gegen den vom Internationalen Strafgerichtshof als Kriegsverbrecher gesuchten Präsidenten Omar al-Bashir regt.

Klare Worte, glaubt Siraj Omar, sind der Schlüssel, um möglichst viele Sudanesen davon zu überzeugen, dass al-Bashir nicht gewinnen darf. "Wir versuchen, die Leute in einer Sprache zu erreichen, die sie verstehen", sagt der Mitgründer von Girifna, einer Organisation, die sich für die Ablösung Bashirs engagiert. Vor einigen Monaten von einer Handvoll Studenten gegründet, hat sie stetig neue, mehrheitlich junge Anhänger gewonnen. Die Spitzenkandidaten der Opposition, zumeist Politgrößen vergangener Jahrzehnte und jenseits der siebzig, hätten verlernt, wie man die Massen erreicht, meint Omar.

Die meisten oppositionellen Parteien und Bewerber haben sich überdies in den letzten Tagen zurückgezogen und den Boykott erklärt. Dass Bashir die Wahl gewinnt, steht außer Frage. Dennoch gibt der 21-jährige Omar nicht auf. "Wir wollen politischen und sozialen Wandel, bei den Wahlen müssen wir anfangen."

Noch haben die Aktionen von Girifna etwas partisanenhaftes, so etwa die Verteilung von Flugblättern, wenn Omar mit schnellem Schritt an allen Sitzreihen eines Busses entlangstürmt und an der nächsten Station herausspringt, bevor jemand die Verfolgung aufnehmen kann. "Ich habe keine Angst um mich selbst", sagt Omar trotzig. "Ich habe allenfalls Angst davor, dass sie mir meine Flugblätter wegnehmen könnten." Auf den Flyern in grellem Orange ist eine Hand zu sehen, die das Victory-Zeichen macht, und wiederum der Girifna-Wahlspruch: "Wir haben die Schnauze voll!"

Omar vertraut auf neue die neuen Medien. In ihrem Blog verbreitet die Bewegung aktuelle Betrugsvorwürfe und Aufrufe zu Versammlungen, zu denen auch per SMS eingeladen wird. Auf einer Facebook-Seite können Unterstützer zu "Fans" werden, kurze Updates werden per Twitter verschickt. Auf YouTube hat die Gruppe ein Rap-Video eingestellt, das für faire Wahlen wirbt. "Zwei Drittel aller Wähler sind Jugendliche. Wenn wir die erreichen können, ändert sich etwas."

Dass die Botschaft wirkt, zeigt die Reaktion des Regimes. Omars Freund Abdallah Mahdi Badawi, ein 18-jähriger Student, wurde Mitte März Opfer eines Überfalls von Geheimagenten. "Ein neues Girifna-Mitglied, Hassan, wollte sich mit mir treffen, er hatte noch einen Freund dabei." Auf dem Weg zu einem nahen Teehaus zerrten die beiden Mahdi in eine enge Gasse, bedrohten ihn mit einer Pistole und brachten ihn in ein Büro, an dessen Wand ein Porträt des gefürchteten ehemaligen Geheimdienstchefs Salah Gosh hing.

"Dreizehn Männer haben mich geschlagen, mit Knüppeln, Peitschen und Elektrokabeln. Sie schrien mich an: Was sind eure Pläne, wer sind eure Mitglieder, wo kommt euer Geld her?!" Einmal hielten sie Mahdi eine Pistole an die Schläfe und drohten, abzudrücken. Ein anderes Mal drückten sie Mahdi ein Glas an die Lippen, das angeblich ein tödliches Virus beinhaltete. "Sie haben mir gedroht, sie seien die Leute, die Mohammed Musa umgebracht haben, den Studenten aus Darfur, der im Februar in Omdurman ermordet wurde."

Doch Mahdi überlebte. Bevor die Männer ihn gehen ließen, musste er eine Reihe von Dokumenten unterzeichnen, unter anderem einen Schuldschein über 31.000 Euro. Wegen dieses Schuldscheins kennt Mahdi sogar den Namen seines Peinigers: Armeeleutnant Mohammed Nur Aldaiem.

Es sind nicht zuletzt Vorfälle wie dieser, die die junge Zivilgesellschaft und die Opposition in dem Aufruf an die Weltgemeinschaft vereinen, die Wahlen im Sudan nicht anzuerkennen. Manche wie die Sudan Democracy First Group fordern internationale Wahlbeobachter auf, abzuziehen, um den Wahlen nicht künstlich Legitimität zu verleihen. Ein erster Erfolg: Die Leiterin der EU-Wahlbeobachtungsmission, Véronique De Keyser, kündigte am Mittwoch den Abzug ihrer Beobachter aus Darfur an. "Nicht einmal humanitäre Helfer können dorthin", so De Keyser, "also können wir es auch nicht."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • NB
    Nadja B.

    @ niko: Wirklich ein extrem bescheuerter Kommentar. Aber vermutlich ist es einfacher, die Dinge so plump und eindimensional zu sehen. Dann werden nicht so viele Gehrinzellen gleichzeitig beansprucht.

     

    Der islamische Fundamentalismus im Sudan ist definitiv ein Problem und auch ein zentraler Streitpunkt. Aber nicht der einzige. Es geht auch um politische Macht, den damit verbundenen Zugang zu Ressourcen und Reichtum und die klientelistischen Strukturen, welche einen wirklichen Wandel erschweren. Der Islam spielt zwar eine Rolle und dessen Auslegung und Umsetzung in Gesetzen ist sehr umstritten, aber die Reduktion der Erklärung auf "Sudan ist ein islamischen Land, also folgt XY" ist ganz schön blind gegenüber den anderen Faktoren, die ebenfalls eine entscheidende Rolle spielen! Es geht nicht darum, die Bedeutung des Islam zur Erklärung der Probleme zu leugnen nach dem Motto "hat mit dem Islam nichts zu tun", wie Sie es den Kritikern vorwerfen. Es geht darum, die Problemursache nicht auf den Islam zu reduzieren, was sie offensichtlich tun!

  • N
    niko

    Sudan ist ein islamisches Land, somit wird dort alles entweder in einer Diktatur oder blutigen Auseinandersetzungen enden, so wie in anderen islamischen Ländern auch, oder kennt jemand von Euch ein islamisches Land, wo der Begriff Menschenrechte überhaupt eine Bedeutung hat?

     

    Aber bitte das Mantra nicht vergessen: Hat alles mit dem Islam nichts zu tun, denn der Islam hat grundsätzlich nichts mit dem Islam zu tun.