Wahlen im Iran: Reformer Chatami wirft das Handtuch
Der frühere iranische Präsident tritt im Juni nicht gegen den radikalen Amtsinhaber Ahmadinedschad an. Dabei lag Chatami in Umfragen vorn.
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Mohammed Chatami hat am Dienstag seine Kandidatur für die Präsidentenwahl in Iran am 12. Juni offiziell zurückgezogen. Damit bestätigte er seine Kritiker, die ihn als konfliktscheu bezeichneten und ihm Mangel an Standhaftigkeit und übertriebene Kompromissbereitschaft gegenüber konservativen Islamisten vorwarfen. Diese Eigenschaften hatten während seiner achtjährigen Amtszeit als Präsident in den Jahren 1997 bis 2004 seine Anhänger enttäuscht. Dennoch scharten sich die Reformer erneut um ihn, weil sie der Meinung waren, dass er der Einzige sei, der eine zweite Amtszeit des Radikalislamisten Mahmud Ahmadinedschad verhindern könnte.
Tatsächlich zeigt eine am Dienstag veröffentlichten Umfrage der konservativen Internetzeitung Tabnak, dass Chatami zurzeit in der Gunst der Wähler mit 51,7 Prozent weit vor Ahmadinedschad (15,1 Prozent) liegt. Auch die anderen Bewerber, Mir Hossein Mussavi und Mehdi Karrubi, liegen der Umfrage zufolge mit 23,8 Prozent und. 2,6 Prozent weit hinter Chatami.
Der Expräsident hatte lange gezögert, bis er dem Drängen seiner Anhänger nachgab und offiziell seine Kandidatur anmeldete. Für die Reformgegner war die Kandidatur eine große Herausforderung. So rief der enorme Jubel der Massen bei Chatamis ersten Auftritten die Radikalislamisten und Konservative, die ihre Macht schwinden sahen, auf den Plan. Nahezu die gesamten Medien, die von den Rechten monopolisiert werden, richteten sich gegen Chatami, denunzierten ihn und gingen dabei so weit, dass sie ihn als Büttel der USA und des Westens bezeichneten, der die Absicht habe, einen "sanften Regimewechsel" herbeizuführen.
In dieser angespannten Lage meldete vergangene Woche der ehemalige Ministerpräsident Mir Hossein Mussavi nach zwanzigjähriger politischer Abstinenz seine Kandidatur an. Er war zuvor über Wochen sowohl von Konservativen als auch von manchen Reformern, darunter von Chatami selbst, zum Antreten gedrängt worden, hatte sich aber nicht dazu entschließen können.
Die Kandidatur Mussavis kam überraschend. Man fragt sich, ob er einem Wink von ganz oben gefolgt sei. Soll er einen Sieg der Reformer verhindern und als Kompromisskandidat der moderaten Konservativen und gemäßigten Reformer versuchen, nach der katastrophalen Amtszeit Ahmadinedschads zu retten, was noch zu retten ist?
Chatami hat endgültig das Handtuch geworfen. Er habe sich zu diesem Schritt entschieden, "um eine Spaltung der Wählerschaft" zu vermeiden, schreib er in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung. Er sei davon überzeugt, dass die heutigen Probleme, die die Existenz der Islamischen Republik bedrohten, nur durch Wandel und Reformen zu bewältigen seien. Mussavi sei durchaus in der Lage, diese Aufgabe zu leisten. Mit seinem Rückzug wolle er Mussavis Wahlchancen erhöhen. Er habe sich bei der Wahl zwischen Macht und Moral beziehungsweise den Interessen des Landes stets für das Letztere entschieden, schrieb Chatami.
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