: Wahlen diskutiert am dreieckigen Tisch
■ Verhandlungen zwischen Opposition und ungarischen Kommunisten / Presse in Budapest erwartet Fortschritte / Oppositionsbündnis legt neuen Forderungskatalog vor
Budapest (afp) - Der Zeitpunkt und die Abwicklung der ersten Wahlen in Ungarn mit der Teilnahme anderer Parteien als der KP (erstmals seit jenen von 1947) standen auf dem Programm einer für Donnerstag nachmittag vorgesehenen Sitzung zwischen neun Oppositionsgruppen und der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei (USAP) sowie ihr nahestehenden Organisationen. Die ungarische Presse erwartete „Fortschritte“ bei der Runde und schloß nicht aus, daß eine Einigung über die Abhaltung der Wahlen im kommenden Dezember erzielt werden könnte.
Die größte Oppositionsbewegung, das Demokratische Forum (MDF) mit über 17.000 Mitgliedern, fühlt sich „stark genug, um in den Wahlkampf zu gehen“, nachdem sie Ende Juli/Anfang August drei Teilwahlen zum Parlament gewonnen hat. Das MDF hatte als einzige Oppositionsgruppe in allen vier wählenden Städten Kandidaten aufgestellt. Nur die unabhängige Jugendorganisation FIDESZ und der Verband der freien Demokraten (SZDSZ) hatten bestimmte Kandidaten des Forums unterstützt. Andere oppositionelle Organisationen sind gegen Wahlen noch in diesem Jahr. Sie sind der Ansicht, die USAP würde davon profitieren. Die Partei hofft ihrerseits, gestärkt aus ihrem kommenden, am 6.10. beginnenden Kongreß hervorzugehen.
Nachdem die Verhandlungen mit der USAP mehrere Wochen lang auf der Stelle traten, will der „Runde Tisch der Opposition“ (ORT) am Donnerstag mehrere Forderungen vorlegen. Die Frage der Einführung des Amtes eines Präsidenten der Republik bleibt umstritten: Der ORT will, daß der Staatschef nach den Parlamentswahlen gewählt wird, die USAP will das Gegenteil. Der erklärte Kandidat der USAP ist Staatsminister Imre Pozsgay, der Anführer des Reformflügels. Die Opposition konnte bisher keine gleichwertige Persönlichkeit aufbieten. Die Opposition befürwortet ein Einkammersystem mit rund 350 Abgeordneten, wovon die Hälfte in den Wahlkreisen gewählt und die andere Hälfte über landesweite Listen bestimmt werden sollen. Die USAP will den Anteil der über die Wahllisten besetzten Mandate nur bei 20 Prozent angesiedelt sehen.
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