Wahl in der Türkei: Überraschungssieger Kurden
Trotz Behinderungen durch Polizei und Justiz: 36 kurdische Abgeordnete haben es ins türkische Parlament geschafft. 16 mehr als beim letzten Mal.
![](https://taz.de/picture/263485/14/kurdentu__rkeizenka.20110613-19.jpg)
ISTANBUL taz | Leila Zana ist zurück. Fast 20 Jahre nachdem sie als Abgeordnete im Parlament verhaftet und als vermeintliche Unterstützerin der PKK direkt ins Gefängnis verfrachtet wurde, ist sie nun erneut ins Parlament gewählt worden. Für die jungen Leute fast schon eine Legende, ist Zana ein gutes Beispiel dafür, wie sehr sich die Situation im Vergleich zu damals verändert hat. Leila Zana war damals zusammen mit drei anderen kurdischen Abgeordneten auf der Liste der damaligen Sozialdemokraten ins Parlament gewählt worden. Einige wenige Worte Kurdisch im Parlament reichten aus, um den Staatsanwalt auf den Plan zu rufen.
Heute können kurdische Kandidaten in ihrer Muttersprache Wahlkampf machen, es gibt ein offizielles und ein illegales kurdisches Fernsehprogramm, und in Diyarbakir plärrt aus jedem Lautsprecher kurdische Musik. Um die Zehnprozenthürde zu umgehen, kandidieren sie als Unabhängige und konstituieren sich anschließend im Parlament als eigene Fraktion. Bei den Wahlen am Sonntag haben die Kurden es trotz Behinderungen durch Polizei und Justiz geschafft, 36 Abgeordnete ins Parlament zu bringen, 16 mehr als bei den letzten Wahlen.
Auf diese Abgeordneten kommt eine entscheidende Rolle zu. Sie müssen es schaffen, bei der Debatte um eine neue Verfassung den ethnischen Minderheiten mehr Rechte zu verschaffen und damit die Grundlage für eine politische Lösung zu legen, die den bewaffneten Kampf der PKK endlich beendet. Die Kurden haben ihre Kandidaten auf Grundlage eines breiten Bündnisses ausgewählt,unter ihnen Konservative, die nicht zur BDP gehören, und türkische Linke, die das Bündnis aus der ethnischen Ecke holen sollen.
Abdullah Öcalan, der inhaftierte Chef der PKK, hat schon vor den Wahlen angekündigt, dass er vom Staat bis zum 15. Juni ein Angebot erwartet, andernfalls würde der Waffenstillstand der PKK beendet. So schnell wird es sicher nicht gehen, doch die kurdischen Abgeordneten gehen mit der erklärten Absicht ins Parlament, im Namen der kurdischen Minderheit Verhandlungen mit der Regierung zu führen.
Erdogan hat die kurdischen Politiker im Wahlkampf scharf angegriffen und mehrmals pauschal als Terroristen bezeichnet. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob Erdogan zu einer konstruktiven Politik den Kurden gegenüber zurückfindet, so wie er es vor zwei Jahren schon einmal versucht hat.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Nichtwähler*innen
Ohne Stimme