Waffenstillstand in El Salvador:: Zwischen Hoffnung und Skepsis
■ Perez de Cuellar hat es - buchstäblich in letzter Minute - geschafft, der Regierung Christiani und den FMLN-Kommandanten nach zwölf Jahren Bürgerkrieg ihr Ja zum Frieden...
Zwischen Hoffnung und Skepsis Perez de Cuellar hat es — buchstäblich in letzter Minute— geschafft, der Regierung Christiani und den FMLN-Kommandanten nach zwölf Jahren Bürgerkrieg ihr Ja zum Frieden abzuringen.
VON RALF LEONHARD
Jubel brach aus in San Salvador, als zeitgleich mit den Neujahrsglocken die frohe Botschaft aus New York eintraf: Bald soll Frieden sein in dem von zwölf Jahren Bürgerkrieg geplagten Land in Mittelamerika. Eigentlich war El Salvadors Präsident Cristiani nach New York gereist, um klarzumachen, daß es noch kein Abkommen geben würde. Dafür sollten seine Begleiter sorgen: Verteidigungsminister Rene Emilio Ponce und der Chef der rechten ARENA-Partei, Armando Calderon Sol, beides erklärte Gegner eines baldigen Waffenstillstands. Daß der Staatschef seiner Delegation dennoch erlaubte, ein Rahmenabkommen mit den Guerillakommandanten zu unterzeichnen, dürfte nicht nur dem Drängen von UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar zu verdanken sein, sondern auch den Überredungskünsten von US-Vizeaußenminister Bernard Aronson, der mit der Kürzung der Waffen- und Wirtschaftshilfe gedroht hatte. Washington will sich den teuren Krieg in Mittelamerika endlich vom Hals schaffen. Das knappe Dokument, das unmittelbar vor dem Läuten der Silvesterglocken unterschrieben wurde, sieht einen bilateralen Waffenstillstand ab 1. Februar vor. Bis Ende Oktober 1992 sollen dann die Bedingungen für einen dauerhaften Frieden und die Auflösung der militärischen Strukturen der Befreiungsfront Farabundo Marti (FMLN) geschaffen sein. Über die Modalitäten des Waffenstillstands konnte man sich noch nicht einigen. Das soll zwischen 5. und 10. Januar in Mexiko passieren. Wenn Regierung und Guerilla auch dort zu keinem Ergebnis kommen, so sieht es das Abkommen vor, müssen sie die vom UNO- Generalsekretär vorgeschlagenen Rahmenbedingungen akzeptieren. Das wäre ein klarer Vorteil für die Rebellen, denn wer sich vor dem Abschluß eines Abkommens ziert, ist die Regierung, die von der extremen Rechten unter Druck gesetzt wird. Was nicht im Dokument steht, aber nach internen Informationen bereits als beschlossen gilt, ist die sofortige Auflösung von fünf Elitebataillonen und 20 Territorialbataillonen der Armee. Die Regierungskräfte sollen während der Übergangszeit noch 100 Basen behalten dürfen, die FMLN 50 bewaffnete Lager. Die endgültige Stärke einer gesäuberten und drastisch reduzierten Armee bleibt noch festzusetzen. Auch über die Zahl der in die zukünftige Zivilpolizei aufzunehmenden FMLN- Kämpfer besteht noch Unklarheit.
Mit dem Silvesterabkommen von New York ist ein wichtiger Schritt getan. Doch die Ursachen für den Bürgerkrieg, der 75.000 Menschen das Leben gekostet hat, können erst durch die Beseitigung wirtschaftlicher und sozialer Ungleichheit ausgeräumt werden. Und dieser Prozeß wird mit Sicherheit noch schwieriger als der Verhandlungsmarathon zwischen Regierung und Guerilla.
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