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Waffenhandel mit LibyenRebellen mit deutschen Waffen

Die Nato will die Aufständischen auch weiterhin unterstützen. Gaddafis Sohn Al Saadi verhandelt angeblich über eine Kapitulation. In Sirte hingegen bleibt eine letzte Gaddafi-Front.

Aufständischer in Tripolis bei der Ramadan-Feier. Bild: reuters

BERLIN/BRÜSSEL/BENGASI afp/dpa/dapd | Die Rebellen in Libyen setzen nach Recherchen des ARD-Magazins "Kontraste" und der Stuttgarter Nachrichten deutsche G36-Gewehre ein. Bei den Waffen handle es sich um bei Heckler & Koch hergestellte Gewehre, berichteten beide Medien am Mittwoch. Muammar al Gaddafis Sohn Al Saadi verhandelt nach Angaben der libyschen Rebellen über seine Kapitulation. Die Nato kündigte an, auch weiter in Libyen präsent zu sein.

Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums sagte dazu, der Regierung lägen keine Erkenntnisse darüber vor, wie die G36-Gewehre nach Libyen gelangt sein könnten. Den Medienberichten zufolge waren die Gewehre den Rebellen beim Sturm auf die Residenz des libyschen Diktators Muammar el Gaddafi in Tripolis in der vergangenen Woche in die Hände gefallen. Augenzeugen hätten dies berichtet, der Herstellerstempel und die so genannte Beschussmarke würden die deutsche Produktion belegen, hieß es.

Den Berichten zufolge ist bisher unklar, wie viele Waffen wann, von wem und auf welchem Weg nach Libyen geliefert wurden. Heckler & Koch habe auf Anfrage ausgeschlossen, die Waffen nach Libyen geliefert zu haben. Das Bundeswirtschaftsministerium teilte demnach mit, es habe keine Genehmigung für eine G36-Lieferung erteilt.

Der Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums sagte dazu am Mittwoch in Berlin, es längen noch keine gesicherten Erkenntnisse über den Einsatz der Gewehre in Libyen vor. "Die Bundesregierung hat auch keine Kenntnisse darüber, auf welchem Weg derartige Waffen nach Libyen gelangt sein könnten", sagte der Sprecher weiter. Er kündigte an, die Bundesregierung werde dieser Frage gemeinsam mit der neuen libyschen Regierung nachgehen.

"Die Lieferung deutscher G36 Sturmgewehre an das Gaddafi-Regime ist ein unfassbarer Vorgang und muss sofort und umfassend aufgeklärt werden", verlangte der Linken-Außenpolitiker Jan van Aken in Berlin. Er wies darauf hin, es seien schon wiederholt deutsche G36-Gewehre in Kriegsgebieten aufgetaucht, in die sie angeblich nie geliefert worden seien.

Nato will im Einsatz bleiben

Muammar al Gaddafis Sohn Al Saadi verhandelt nach Angaben der libyschen Rebellen über seine Kapitulation. Das meldete die Nachrichtenagentur AP am Mittwoch unter Berufung auf den Chef der Aufständischen in der Hauptstadt Tripolis.

Die Nato will auch nach einem Ende des Militäreinsatzes in Libyen weiter Flagge zeigen. Nato-Soldaten könnten für eine begrenzte Zeit den Luftraum überwachen und Schiffe vor der Küste Libyens kontrollieren. Dies vereinbarten die Vertreter der 28 Nato-Staaten am Mittwoch im Nato-Rat in Brüssel. Eine Entsendung von Bodentruppen kommt dagegen für das Bündnis nicht in Frage. Nach dem Ultimatum der Rebellen gibt es in der Heimatstadt des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi, Sirte, bislang keine Anzeichen für eine Kapitulation.

Die Bevölkerung in der rund 75.000 Einwohner zählenden Küstenstadt sei gespalten, berichtete der Nachrichtensender Al-Dschasira. Eine Hälfte plädiere für Kampf, die andere Hälfte für Kapitulation. Stammesälteste versuchten, die Gaddafi-Truppen wenigstens davon zu überzeugen, dass im Fall eines Kampfes Frauen und Kinder zuvor die Stadt verlassen könnten. Nach Rebellenangaben kamen seit Beginn des Aufstandes gegen Gaddafis Regime vor sechs Monaten mindestens 50.000 Menschen ums Leben. Unabhängige Schätzungen lagen im Detail nicht vor.

Auch die in der Wüste gelegene Garnisonsstadt Sebha hat bislang das Ultimatum der Rebellen nicht akzeptiert. Die neuen Machthaber fordern, dass die letzten Gaddafi-Getreuen ihre Waffen bis zur Nacht vom Freitag auf Samstag strecken.

In Brüssel hieß es, Voraussetzung für eine Fortsetzung des Nato-Einsatzes sei, dass die künftige libysche Regierung dies wünsche. Der Vorschlag Frankreichs, eine Beobachtermission mit deutscher Beteiligung nach Libyen zu schicken, hat derzeit wohl wenig Chancen auf Verwirklichung. "In unseren Gesprächen mit dem NTC (Übergangsrat) wird ganz deutlich, dass die Libyer jede Art eines militärischen Einsatzes durch die UN oder andere verhindern möchten", sagte der Libyen-Sondergesandte Ian Martin in New York.

Frankreichs Außenminister Alain Juppé hatte in einem Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für eine Beobachtermission geworben. "Man wird Beobachter nach Libyen entsenden müssen. Es braucht eine Wiederaufbautruppe, aber keine Interventionstruppe." Frankreich "wäre froh darüber", wenn Deutschland sich an einer Beobachtermission beteiligte, sagte Juppé.

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15 Kommentare

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  • P
    Patreus

    Zitat: "Eine Entsendung von Bodentruppen kommt dagegen für das Bündnis nicht in Frage."

     

    Ja. Und was ist bitte mit den SAS und Fremdenlegion Einheiten, die bereits in Libyen sind? Die zählen nicht, oder?

  • E
    Erich

    Selbst wikipedia weiß, dass das G36 in Lizenz in Saudi-Arabien produziert wird. Den Rest kann man sich ausmalen.

  • RU
    rainer unsinn

    na, aus saudi arabien werden sie doch nicht kommen,

    die brauchen die saudis selbst um auf alles vorbereitet zu sein.

     

    deshalb haben sie gleich eine komplette poduktion bei sich hingestellt..

     

    http://www.rbb-online.de/kontraste/archiv/kontraste_vom_11_08/umstrittener_ruestungsexport.html

  • E
    end.the.occupation

    >> Die Nato kündigte an, auch weiter in Libyen präsent zu sein.

     

    Welch eine Überraschung! Und keine Änderung an der kriminellen Vorgehensweise seid Hernan Cortes.

     

    Noch einmal einen Tusch für Beate Seel und Dominic Johnson, an denen schlappe 500 Jahre Geschichte folgenlos vorbei gegangen sind. Das passt zum Kollegen Hillenbrand, der hier vor einiger Zeit den Völkermord an den Bewohnern Neuseelands/Australiens zu einem nachahmenswerten Beispiel westlicher Expansion erklärte.

  • F
    Flori

    taz-Kriegspropaganda, deutsche Waffen...passt.

  • R
    Robert

    die Ausfuhrkontrolle wird von Heckler und Koch umgangen, indem sie die Waffen an ihre Tochter in den USA liefern und bei denen kann man dann komfortabel einkaufen. (siehe auch: Lieferungen an Blackwater vor etwa einem halben Jahr-Report Mainz berichtete darüber)

  • A
    Alex

    Ich finde die Überschrift eher unpassend - im ersten Moment denkt der Leser dass die Waffen direkt den Rebellen geliefert wurden, nicht dem Regime. Dies ist jedoch weitaus schlimmer!

  • K
    Ökomarxist

    Heckler & Koch müssen doch wissen, wieviel Waffen Sie wohin liefern. Das Wirtschaftsministerium sagt, es habe keine Ausfuhrgenehmigung für G36 Sturmgewehre nach Libyen erteilt. Ohne diese dürfen keine Waffen, irgendwo wohin ausgeliefert werden. Noch dazu nicht in Krisengebiete. Dass ist nämlich verfassungswidrig und muss aufgeklärt werden. Deutschland ist leider die Nummer 3 der Welt im Waffenexport. Frieden kann man auch ohne Waffen schaffen. Denn nichts ist kostbarer als ein Menschenleben.

  • C
    Celsus

    Genau so wollen die Bundesregierung und die Firma Heckler & Koch doch sehen: Auf Seiten der Rebellen und im Dienste von Menschenrechten und Demokratie gegen den Diktator.

     

    Das Bild ist falsch, wenn dann nicht erwähnt wird, dass eben bis nahezu zuletzt an den Diktator Waffen geliefert wurden. Die Frage ist auch, welche deutsche Firmen da an den Diktator geliefert haben, die jetzt wohl nicht mehr daran erinnert werden wollen.

     

    Leider ist es auch nicht ganz so einfach die Feinde eines Diktators dann einheitlich zu Freunden von Demokratie und Menschenrechten zu erklären. Es gab auch dort Berichten der Medien menschenrechtlich nicht zu verantwortende Verhaltensweisen.

  • R
    rudi

    Na wenigstens das: Die lybische Revolution wurde gewonnen mit entscheidender Hilfe irgendwie-dorthin-gekommener deutscher Waffen *Freudenträne aus dem Auge wisch*

  • V
    vic

    ..."kann sich nicht erklären, wie die Waffen nach Libyen kommen"

     

    Vielleicht so?:

    http://www.wiwo.de/unternehmen-maerkte/heckler-koch-baut-waffenfabrik-in-saudi-arabien-438944/

  • S
    sofamystiker

    heckler & koch?

    falls eine offizielle aussage nötig werden wird, wird mit sicherheit einer der 'waffenbrüder' kauder einspringen.

    heckler&koch lieferten ende der 90er der arabischen halbinsel sturmgewehre trotz auslieferungsverbot. die lieferung wurde über england abgewickelt, wo die fehlenden bolzen eingesetzt wurden…und wer hat heckler&koch als anwalt verteidigt?

    genau, siegfried kauder.

  • G
    Gerald

    Der Mann auf dem Bild haelt eine Ak47 - keine deutsche Waffe. Wenn schon reisserische Titel, dann bringt wenigstens einen beweis

  • M
    Marko

    Na wenigstens ein Lichtblick. Wäre auch peinlich wenn Deutschland dort überhaupt nichts macht um den Faschisten Gaddafi zu stürzen!

  • T
    Thekal

    "Die Nato kündigte an, auch weiter in Libyen präsent zu sein." Eh klar. 2. größtes Ölvorkommen weltweit nach Saudi-Arabien. Die haben den Krieg nicht geführt, um die taz zu Kriegsjubel zu veranlassen. Zu Irak sagte Bush jr.:" wir sind nicht gekommen, um wieder zu gehen".Di USA lassen sich "bitten", Stützpunkte im Irak zu behalten. In Afghanistan behalten die USA auch bei einem sogenannten Abzug große Stützpunkte.