piwik no script img

Waffengewalt um politische Ziele

■ Auseinandersetzungen in Mexiko sind besorgniserregend / Tote und Verletzte bei Ausschreitungen / Angeheizte Emotionen münden immer häufiger in offenen Schußwechsel auf der Straße

Mexiko-Stadt (adn) - Sieben Mitglieder der oppositionellen Partei der Demokratischen Revolution (PRD) aus dem mexikanischen Bundesstaat Michoacan wurden in den zurückliegenden Tagen inhaftiert. Ihnen wird die Verantwortung für den Tod eines Polizeioffiziers und Anhängern der Regierungspartei PRI am vorigen Mittwoch in Zitacuaro angelastet. Am Tag darauf räumte Polizei ebenfalls in Zitacuaro ein von PRD-Leuten besetztes Rathaus, das ursprünglich der PRI gehörte.

Derartige Vorfälle sind seit Monaten in Michoacan und im benachbarten Guerrero fast schon traurige Normalität, die in der mexikanischen Öffentlichkeit wachsende Besorgnis hervorruft. Hintergrund der Austragung politischer Auseinandersetzungen auch mit Waffengewalt sind die Kommunalwahlen vom Dezember vergangenen Jahres, deren offizielle Ergebnisse von der PRD nicht anerkannt werden. Daraufhin wurden von PRD-Anhängern Dutzende Rathäuser besetzt und Parallelverwaltungen installiert. Die angeheizten Emotionen münden immer wieder in Schußwechsel auf offener Straße oder in nie aufgeklärte Morde an Lokalpolitikern. Dabei gehen zuweilen auch Sicherheitsbeamte nicht gerade fein vor. Generalstaatsanwalt Enrique Alvarez del Castillo gestand am Wochenende ein, daß sich Agenten der Bundespolizei unter dem Vorwand des Anti-Drogen-Kampfes in Michoacan, Sinaloa und Oaxaca der Verletzung von Menschenrechten schuldig gemacht hätten.

Die Verantwortung für das Ausufern der Gewalt schieben Opposition und Regierung weiterhin einander gegenseitig zu. Aufrufe zu Besonnenheit und Dialog fielen bisher auf keinen fruchtbaren Boden, obwohl die gespannte Situation vor allem in Michoacan auch schon zu erheblichen ökonomischen Belastungen geführt hat. Bei zahlreichen Grundnahrungsmitteln sind ernste Versorgungsprobleme aufgetreten. Unternehmer ziehen sich aus dem ohnehin als arm geltenden Bundesstaat zurück, sehen ihre Kapitalanlagen gefährdet. Auch der Tourismus sieht sich in Mitleidenschaft gezogen.

Vor diesem Hintergrund kam es schon vor Wochen in Mexiko -Stadt zu einer Begegnung zwischen Innenminister Fernando Gutierrez Barrios und einer PRD-Abordnung, die eine Zusammenstellung der seit 1988 gegen Mitglieder ihrer Partei verübte politische Morde übergab. Diese umfaßte 56 Namen. Der PRD hingegen wird vorgeworfen, sie achte nicht die demokratischen Spielregeln und sei nicht in der Lage, ihre Mitglieder unter Kontrolle zu halten. Kritisiert werden insbesondere die Bewaffnung ihrer Anhänger, die gewaltsame Besetzung von Rathäusern und die Entführung von Angestellten.

Die in den vergangenen Wochen von Vertretern beider Seiten abgegebenen Erklärungen, man suche nicht die Gewalt, sondern wolle lediglich die Respektierung der Demokratie, haben in der Praxis noch keine durchgreifenden Ergebnisse gezeitigt. Liegt das eventuell sogar an einer im Verborgenen wirkenden dritten Kraft? Generalstaatsanwalt Enrique Alvarez del Castillo schloß es am Wochenende zumindes nicht aus, daß mächtige Rauschgifthändler hinter der Eskalation der Gewalt stehen. Es ginge um wichtige Interessen und viel Geld. Die Drogenbosse hätten ausreichend Macht, „um die öffentliche Ordnung durcheinanderzubringen“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen