: Waffendienst für Frauen?
■ betr.: „Das letzte Berufsverbot der Republik“, taz vom 3. 6. 96, „Grüne Frauen empört über grü nen Vorschlag“, taz vom 5. 6. 96
Die Bündnisgrünen werden, alles andere wäre unwahrscheinlich, vor der nächsten Bundestagswahl ihre Programmatik deutlich zur politischen „Mitte“ hin verändern: Von der pazifistischen Forderung von der Abschaffung der Bundeswehr wird, nachdem sie in den letzten Jahren ohnehin nur als rhetorische Übung begriffen wurde, nichts mehr übrigbleiben, in den Vordergrund wird die zivilgesellschaftliche und erzliberale Forderung nach Abschaffung des militärischen Zwangsdienstes rücken.
Diese neue Linie wird sich dem hedonistischen Klientel der Partei sicher auch ganz gut verkaufen lassen, was nicht gegen sie spricht.
Für eine Freiwilligen-Bundeswehr, da liegt die Grünen-Abgeordnete Rita Grieshaber ganz richtig, gäbe es keinen Grund mehr, die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern fortzusetzen. Würde diese Armee in ihrer Organisation und ihren Aufgaben dann noch als (UNO-)Polizei strukturiert, was ohnehin ein gescheites rot-grünes Ziel sein dürfte, so sollte sich der Vorwurf des „deutsch-nationalen Übereifers“ (MdB Knoche und Schewe-Gerigk contra Grieshaber) eigentlich erübrigen.
Indem ihre innerparteilichen Gegnerinnen Grieshaber jedoch unterstellen, nicht an der Zivilisierung des Militärs, sondern an einem „Recht auf die gleiche Teilhabe an patriarchaler Männergewalt“ zu arbeiten, mißverstehen sie offenbar nicht nur ihre Parteifreundin, sondern bedienen sich zudem der Sprache des Mythos (gewalttätiges Patriarchat contra friedfertiges Matriarchat). Das mag ihrer Polemik dienen, schadet ihnen aber, wenn man sich die Mythen genauer ansieht. So schreibt Herfried Münkler in seiner Interpretation des hellenischen Penthesilea-Mythos: „Was ein Akt der Zivilisierung hätte werden können, wurde zum Inbegriff der Barbarei erklärt: das Amazonentum. Wo die Frau nicht länger Besitz und Beute sein will, zerstört sie die Grundlagen des Heldentums. Indem sie (Penthesilea) selbst die Pose des Helden annimmt, bestreitet sie dessen prätendierten Sinn: die eigenen Frauen zu schützen, indem die fremden zur Beute gemacht werden. Wer sich als Beuteobjekt verweigert, verweigert sich zugleich als Schutzobjekt.“ (Münkler, Odysseus und Kassandra, Politik im Mythos, S. 24).
Nicht, daß ich der mythologischen Deutung gesellschaftlicher Verhältnisse der Moderne das Wort reden will, aber wer einer Parteifreundin vorhält, der „patriarchalen Männergewalt“ zu konzedieren, steckt schon über beide Ohren in der mythischen Rede. Wer sich bei der Auswahl zwischen dem „zivilgesellschaftlich-logischen“ und dem „mythologischen“ Diskurs für letzteren entscheidet, sollte bitte nicht vergessen, daß selbst im Mythos Frauen durchaus Chancen haben, der „patriarchalen Männergewalt“ zu begegnen. Und weil das trotzdem ins Auge geht, sollte man & frau lieber ohne Mythos auskommen. Martin Rath,
Langenfeld/Rheinland
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