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Archiv-Artikel

Wähler für Reformen ohne SPD

Sozialdemokraten bleiben auch mit Hoffnungsträger Müntefering unter 30 Prozent. Rot-grünes Spitzentreffen kurz und schmerzlos: Strittige Themen ausgeklammert

BERLIN taz ■ Der angekündigte Wechsel an der SPD-Spitze hat der Regierung zunächst nicht den erhofften Stimmungsumschwung bei den Wählern gebracht. Auch mit ihrem neuen Hoffnungsträger Franz Müntefering liegt die große Regierungspartei SPD in allen Umfragen weiter unter der 30-Prozent-Marke. Eine Woche nach seiner Rücktrittsankündigung als Parteichef rutschte Kanzler Gerhard Schröder in der Rangliste der wichtigsten Politiker auf Platz neun ab.

Wäre am Sonntag Bundestagswahl, käme die SPD laut ZDF-„Politbarometer“ auf 29 Prozent, einen Prozentpunkt mehr als vor vier Wochen. CDU/CSU blieben bei 48, die Grünen bei 10, die FDP bei 5 Prozent. Die Zufriedenheit mit der Bundesregierung ist mit –1,6 auf der Skala von –5 bis +5 erneut zurückgegangen. Was nun, Rot-Grün? Eine knappe Mehrheit (51 Prozent) ist laut Infratest dimap für eine Fortsetzung des Reformkurses. 40 Prozent sind gegen die Beibehaltung der Reformpolitik. 55 Prozent sind der Ansicht, dass der Kanzler einige seiner Minister auswechseln sollte. Neuwahlen wünschen jedoch nur 34 Prozent.

Vor diesem Hintergrund versuchten die Spitzenpolitiker von SPD und Grünen gestern bei einer kurzen Koalitionsrunde im Reichstag, mögliche Streitthemen erst mal auszuklammern. Über den Export der Hanauer Atomfabrik, das Zuwanderungsgesetz und den Emissionshandel sei nicht gesprochen worden, hieß es. Auch den Streit in der SPD über Korrekturen an Reformen ließ die Runde außen vor. „Die Koalition kommt nur voran, wenn sie ihre Arbeit macht“, sagte der Grünen-Politiker Volker Beck nach dem Spitzengespräch der taz. Einziges wichtiges Ergebnis: Gegen den Widerstand von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) wurde die Ausbildungsumlage für Betriebe abgesegnet. Die Koalition will nun ein entsprechendes Gesetz vorbereiten, das im September in Kraft treten soll, wenn bis dahin nicht genügend Lehrstellen für alle Interessierten zur Verfügung stehen. Um die koalitionsinterne Kommunikation zu verbessern, wurden nach Auskunft von Grünen-Chef Reinhard Bütikofer vier weitere Koalitionsrunden bis zur Sommerpause verabredet. Sie sollen Mitte März, Anfang April, Anfang Mai und Mitte Juni stattfinden. LUKAS WALLRAFF