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Wählen ändert doch nichts

betr.: „Schlachtfest nach Blairs Sieg“ u. a. von Ralf Sotscheck, (Brennpunkt), „Linke Hoffnungen, konservative Politik“ (Kommentar von Dominique Johnson), taz vom 9./10. 6. 01

Schade, dass Ralf Sotscheck sein Thema, die Analyse der britischen Unterhauswahlen, weitgehend verfehlt hat. Dominic Johnsons Kommentar hat zumindest ein wenig ausgleichen können. Seiner Einschätzung muss zu mehr Geltung verholfen werden:

Labour hat zweieinhalb Millionen Stimmen weniger bekommen. Dass sie dennoch Wahlsieger sind, liegt daran, dass auch die Tories eine Million Stimmen verloren. Die Wahlenthaltungen waren besonders groß in Gegenden, in denen Labour sichere Plätze verteidigte. Halbiert wurde Labours Mehrheit zum Beispiel in St. Helens, wo Tony „Tory“ Blair mit dem ehemaligen Tory Woodward, Millionär mit Dienstpersonal, antrat. Ein Feuerwehrmann, der Labour verlassen hat und für die Socialist Alliance kandidierte, erhielt aus dem Stand, mit nur drei Wochen Zeit für die Wahlkampagne und gegen das große Schweigen der Medien, fast sieben Prozent.

Die Liberaldemokraten eroberten zwar einige mehr Sitze, ihre Gesamtstimmenzahl fiel jedoch im Vergleich zu den 1997er-Wahlen. In einigen Arbeiterbezirken wurden sie gewählt, weil sie als linke (!) Alternative zu der neoliberalen Politik der Blair-Partei gesehen wurden. Dieses Scheinbild förderten angesehene Zeitschriften wie der Guardian und bekannte Personen wie der Sänger Billy Bragg.

Wahlergebnis und die „Apathie“ der Nichtwähler wurden und werden als allgemeine Zustimmung zur Politik von Privatisierungen und Sozialabbau gehandelt. Abgesehen davon, dass dies unglaublichen Zynismus der „Analysten“ verrät, ist es nicht wahr: Eine Wahlumfrage der BBC ergab, dass 77 Prozent der Wähler nicht zu den Urnen gingen, weil sie annahmen, es würde ohnehin nichts ändern.

Der Filmemacher Ken Loach, der die Socialist Alliance unterstützte, fasste das Ergebnis so zusammen: „Es zeigt, dass die Tories immer noch verhasst sind, aber es keinen Enthusiasmus für New Labour gibt.“ Das Vakuum, so meint er, wird mit der Zeit die Socialist Alliance füllen. So sei es. MARIA NONNENKAMP, London

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