: Wacht auf der Zitadelle
■ Gegner des Schleusenbaus in Spandau wollen weiterkämpfen / Gespräch mit Umweltsenatorin Michaele Schreyer hat Zweifel an ihrer Worttreue nicht beseitigt
Im Frühjahr hoffte Gisela Grotzke, sie könnte jetzt ihre Bürgerinitiative „Schützt die Zitadelle“ auflösen. Hieß es doch in der Koalitionsvereinbarung von SPD und AL klipp und klar: „Die Verhandlungspartner stimmen darin überein, daß die Spandauer Schleuse nicht ausgebaut wird.“ Gestern haben sich Gisela Grotzke und andere Mitglieder des Koordinationskreises gegen den Schleusenausbau mit Umweltsenatorin Michaele Schreyer (AL-nah) getroffen. Grotzkes Konsequenz: Von der Auflösung ihrer BI wird sie erst mal „Abstand nehmen“. Denn der mit der DDR vereinbarte, aber seit Jahren umstrittene Bau einer zweiten Schleusenkammer neben der Spandauer Zitadelle ist, so der Eindruck der Schleusengegner, immer noch nicht endgültig vom Tisch. Die Gegner des 90-Millionen-Projektes fürchten, daß dafür nicht nur wertvolles Grün untergepflügt werden muß, sondern auch die Standfestigkeit der Zitadelle erschüttert wird. Die DDR sei zu Neuverhandlungen bereit, glauben die Spandauer. Zweifel haben sie an der Beweglichkeit des Senats. Gestern saßen die Schleusengegner zwar einer neuen Senatorin gegenüber, aber den alten Verwaltungsbeamten, die den Schleusenausbau bisher vehement verfochten hatten. Heinz -Jürgen Axt, Sprecher des Koordinationskreises, hat das „überrascht“.
„Wichtige Zusagen“ hat der Schleusengegner aus dem Gespräch trotzdem mitgenommen. Schreyer will „alle Alternativen“ prüfen, die es zum Bau einer zweiten Schleusenkammer gibt. Der alte Senat hatte das Projekt in der Vergangenheit mit dem Argument verteidigt, die alte Schleusenkammer sei für moderne Europaschiffe zu klein. Allerdings hatte schon Schreyers Amtsvorgänger Starnick (FDP) einen „Großversuch“ angekündigt, bei dem noch einmal geprüft werden sollte, ob nicht doch ein Ausbau der alten Kammer möglich wäre.
Dieser Großversuch, so erfuhren die Schleusengegner jetzt, findet erst 1990 statt. Ein Betonklotz soll auf dem Grund des Stößensees versenkt und dort zersägt und gesprengt werden. Der Senat will auf diese Weise ermitteln, was für Erschütterungen ein Schleusenausbau mit sich bringen würde. Weil Axt weiterhin Zweifel hat, ob ein Ausbau problemlos möglich wäre, beharrte er gestern jedoch darauf, daß auch weitere Alternativen ernsthaft untersucht werden müßten; Schreyer habe das auch versprochen. Die Schleusengegner favorisieren nämlich eine Umfahrung der Spandauer Schleuse über Charlottenburg und Plötzensee. Nach den Erkenntnissen des Koordinationskreises sind es ohnehin nur 6,9 Frachtschiffe, die pro Tag im Jahresschnitt die Schleuse in Spandau durchfahren; der Senat hatte stets von 20 bis 30 Schiffen gesprochen. Schreyer habe deshalb auch zugesagt, sagte Axt gestern, den Schleusenausbau „verkehrswirtschaftlich“ zu prüfen.
hmt
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