WULFF WEICHT MIT DEM KMK-AUSSTIEG DEM TEST SEINER SCHULPOLITIK AUS : Schleichender Rückzug von Pisa
Manfred Prenzel beugt sich gerade über die Mathe-Tests deutscher Schüler. Der Bildungsforscher des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften sucht nach der Antwort auf eine spannende Frage: Haben die 15-Jährigen bei der zweiten Pisa-Runde (diesmal ging’s ums Rechnen) besser abgeschnitten als bei dem mediokren Pisa-Lesetest im Jahr 2000? Stichtag ist der 7. Dezember. Dann werden Prenzels Ergebnisse veröffentlicht.
Was, um Himmels willen, hat das mit Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff und seinem Kündigungsbrief an die Kultusminister zu tun? Mehr, als Manfred Prenzel lieb sein kann. Für Wulff ist’s langsam genug mit der Pisa-Testeritis. Da hat der Niedersachse vorsorglich ein Ablenkerthema platziert. Lieber die KMK diskutieren, als ständig neu hören müssen, wie ungerecht, leistungsschwach und regional disparat die Schule ist.
Wie anderen Unionsfürsten werden Wulff die Resultate gerade deswegen lästig, weil ihre alte Rechnung nicht mehr aufgeht: „SPD-Schule = schlechte Schule“. Stück für Stück setzt sich nämlich die Erkenntnis durch: die dreigliedrige Schule und der mit ihr einhergehende monotone Unterrichtsstil sind wesentlich mitverantwortlich für das Schuldesaster. Kein ernst zu nehmender Forscher bestreitet diese Lesart mehr. Nur unbelehrbare Unionisten und ängstliche SPDler hängen der Lebenslüge an, die Aufteilung 10-Jähriger auf drei Schultypen sei prima, weil begabungsgerecht.
Mit jedem weiteren Pisa-Test wird aber nicht nur die Begabungslehre ad absurdum geführt. Gleichzeitig wird die herrschende Schulpraxis entlarvt – und die ist bei Wulff überaus kümmerlich: Wulff kürzt die eh geringen Zuschüsse in Schulen und Hochschulen. Er baut massiv Studienplätze ab und er will die dreigliedrige Schule stärken. Das ist das glatte Gegenteil von dem, was ein an Humankapital verarmendes Land brauchen kann. Den Beweis dafür liefert, zum Schaden Wulffs, Pisa. Sein Ausstieg aus der KMK, die formell den Auftrag für die Pisa-Studien erteilt, ist also in Wahrheit etwas anderes: der schleichende Rückzug aus dem internationalen Schulvergleich. CHRISTIAN FÜLLER