WM-Kader für Südafrika: "Noch nie so kompliziert und schwierig"
Bundestrainer Joachim Löw hat 27 Spieler ins vorläufige DFB-Aufgebot für die Fußball-WM in Südafrika berufen. Auf eine Nummer eins im Tor wollte er sich nicht festlegen.
STUTTGART taz | So sieht in Südafrika wohl der Winter aus. Grauer Himmel, Dauerregen - Stuttgart präsentierte sich gestern zum nationalen Auftakt der Fußball-WM 2010 in einer düsteren meteorologischen Vorahnung. Nur gut, dass es bei der Vorstellung des Kaders in einem Automuseum gut geheizt war. Brezeln gab es natürlich auch. Die Zeremonie war denn aber eher eine sommerlich heitere, irgendwo zwischen Pressekonferenz und Castingshow.
So eine Nominierung ist aber nicht nur Showtime, sondern immer auch ein Tanz auf der Rasierklinge. Der Bundestrainer entscheidet im Zweifel gegen 80 Millionen Experten zwischen Flensburg und den Alpen, also wird er auch immer Spieler und Fans enttäuschen müssen. Der Kader für Südafrika ist, so gesehen, auch das Produkt des Mach- und Vermittelbaren, auch wenn Löw betont, dass die Wahl seines Teams "das Ergebnis einer monatelangen, manchmal auch jahrelangen Analyse und Beobachtung gewesen ist". Und die führte ganz kurz zu folgendem Ergebnis: ein zentraler Bayernblock mit sieben Spielern und ein Sechsersturm mit den Sorgenkickern Klose und Podolski, die es zusammen nur auf fünf Treffer in dieser Saison bringen.
Im Tor: Manuel Neuer, Tim Wiese, Jörg Butt.
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Abwehr: Per Mertesacker, Holger Badstuber, Philipp Lahm, Heiko Westermann, Jerome Boateng, Andreas Beck, Arne Friedrich, Serdar Tasci, Marcell Jansen.
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Mittelfeld: Bastian Schweinsteiger, Christian Träsch, Sami Khedira, Piotr Trochowski, Dennis Aogo, Michael Ballack, Marko Marin, Mesut Özil, Toni Kroos.
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Angriff: Stefan Kießling, Thomas Müller, Miroslav Klose, Mario Gomez, Lukas Podolski, Cacau.
Überraschungen gab es dagegen wenige im Stuttgarter Blitzlichtgewitter. Der Hamburger Linksverteidiger Dennis Aogo ist eine, auch sein rechter Verteidigerkollege Andreas Beck von der TSG Hoffenheim. Der Rest der nominierten 27 Spieler war bekannt oder absehbar. Und es wunderte sich auch kaum noch einer, dass Thomas Hitlzsperger nicht eingeladen wurde. Der war zwar in der WM-Qualifikation noch eine ziemlich feste Größe, hatte sich dann aber erst beim VfB Stuttgart wegen Formschwäche aus der Mannschaft gespielt und konnte dann nach der Winterpause auch bei Lazio Rom nie Fuß fassen. "Thomas war sehr enttäuscht", sagte Löw, dem dieses Telefonat schwer gefallen war. Enttäuscht war sicher auch der Wolfsburger Christian Gentner, der ebenfalls nicht dabei ist.
Kein größeres Thema war auch die Torwartfrage. Man habe nur kurz diskutiert und schnell entschieden, erklärte Löw die Nominierung von Bayern-Keeper Jörg Butt für den verletzten René Adler. Einen Steinwurf vom Museum entfernt hechtete derweil Jens Lehmann im strömenden Regen beim Training des VfB nach den Bällen. Der Routinier hätte zum Ende seiner Karriere nur zu gerne als Nummer 1 das Turnier gespielt, war aber, so Löw, "nie ein Thema".
Wohl auch, weil Lehmann in den letzten Wochen immer wieder gegen die Konkurrenten Tim Wiese und Manuel Neuer gestänkert hatte. Auch gestern wieder. Für Neuer käme das Turnier zu früh und an Stelle von Butt würde er sich nicht auf die Bank setzen, grantelte Lehmann in einem Interview. Dafür kann er sich jetzt auf seinen Expertenjob bei einem Bezahlsender konzentrieren, während Löw mit drei Torhütern, die zusammen nur sieben Länderspiele haben, ins Turnier zieht. Eine heikle Sache, und noch will sich der Cheftrainer auf keine Nummer 1 festlegen. "Darüber reden wir in den nächsten Tagen", sagte er. Ein Bekenntnis zum Schalker Neuer sieht anders aus.
Die Torwartfrage wird sich in Ruhe klären lassen. Bundestrainer Löw sorgt sich eher um die Vorbereitung. Sieben Spieler des FC Bayern bilden das Gerüst der Mannschaft, sieben Spieler, die frühestens zwei Tage nach dem Finale der Champions League am 22. Mai im Trainingslager in Südtirol zur Mannschaft stoßen werden. Zum Auftaktspiel der Vorbereitung am 13. Mai gegen Malta werden auch die Bremer Mertesacker, Wiese, Özil und Marin wegen des Pokalfinales fehlen.
Und auch Deutschlands Vorzeigekicker Michael Ballack muss noch im englischen Pokalfinale gegen den FC Portsmouth nachsitzen. Richtig jammern wollte Löw zwar nicht, aber Teambuilding nach Art des Chefs dürfte schwierig sein, zumal die Mannschaft in diesem Jahr bisher nur ein Spiel im März gegen Argentinien (0:1) hatte. "Das ist natürlich wenig", klagte Löw. "Es war auf jeden Fall noch nie so kompliziert zu nominieren wie dieses Mal ", fügte er hinzu.
Das hat er nun getan, jetzt muss er am 1. Juni nur noch vier Spieler streichen. Treffen kann das fast jeden, nur nicht Ballack, Lahm, Klose, Mertesacker und Schweinsteiger, die Löw gestern zu den unangefochtenen Säulenheiligen seines Teams erklärt hat - wenn sie gesund bleiben. Man soll ja nicht wetten, aber es wäre nun kein Wunder, wenn am Ende Aogo, Jansen, Trochowski und Cacau zu Hause bleiben müssten. Aber bis dahin ist noch ein bisschen Zeit.
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