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WIR LASSEN LESENSeltsamer Ruhm

■ Die Geschichte von Manchesters Sir Matt Busby

Die Geschichte von Sir Matt Busby und Manchester United gehört zur internationalen Fußballfolklore. Manchester United war 1957 mit einem Rekordvorsprung von elf Punkten englischer Meister geworden, mit einem Team, das ein Durchschnittsalter von 22 Jahren hatte. Die „Busby-Babies“ des schon damals legendären Coachs waren zudem auf dem Weg den europäischen Fußball zu erobern, als sie am 6.Februar 1958 auf dem Rollfeld von München-Riem eine Maschine bestiegen. Tags zuvor hatten sie sich bei Partizan Belgrad für das Halbfinale im Europacup qualifiziert. Doch das Flugzeug erhob sich nur kurz, stürzte dann ab, brach auseinander und explodierte. Acht Spieler starben, zwei weitere konnten nie mehr Fußball spielen. Busby überlebte schwerverletzt. Seine Mannschaft, Spieler, die er in seinem Klub großgemacht hatte, war tot.

Alles, was in den folgenden Jahren bei Manchester United geschah, stand im Schatten dieser Tragödie. United wurde von einer lokalen zu einer nationalen Angelegenheit, die ihre Erlösung am 29.Mai 1968 fand, zehn Jahre nach dem Unglück. In London gewann eine Mannschaft von Manchester United mit Bobby Charlton, Denis Law, Nobby Stiles und vor allem George Best in ihren Reihen den Europapokal der Meister. Matt Busby hatte eine weitere ganz große Mannschaft geschaffen.

Der Person Matt Busby, der später geadelt wurde, nimmt sich Eamon Dunphy in A strange kind of glory an. Unbedingt empfehlenswert auch für deutsche Leser wird dieses Buch durch die Herangehensweise des Autors. Eamon Dunphy, der selber einmal kurz für Manchester United spielte und in den sechziger Jahren irischer Nationalspieler war, erzählt mehr als nur die Biographie eines der bekanntesten Manager der Fußballgeschichte. Er liefert auch einen sehr aufschlußreichen Report des Innenlebens eines Fußballvereins.

Wichtiger aber noch ist das Bild, das vom Beruf „Fußballprofi“ in England entsteht. Waren diese doch bis weit in die 60er hinein „Sklaven“, wie Dunphy nicht nur behauptet, sondern auch anschaulich machen kann. Bis 1962 auf ein vergleichsweise lächerliches Höchstgehalt begrenzt, bei Vereinswechseln der Willkür der Manager und Klubbesitzer ausgesetzt und gleichzeitig auf Werte wie Vereinstreue und Solidarität (mit dem Klub, nicht den Kollegen) verpflichtet, war der Fußball ein Stück purer Klassengesellschaft.

Busby, der selbst Spieler war, veränderte den Fußball zwar durch eine Neudefinition des Managerberufs, ein Revolutionär des Spiels, als der er oft dargestellt wird, war er aber beileibe nicht. Er erweiterte die Macht des Managers gegenüber den Klubbesitzern, versuchte den Spielern den Respekt zukommen zu lassen, den er als Spieler nicht erfahren hatte, in Geldangelegenheiten aber blieb er unnachgiebig. So gehörten Spieler wie Bobby Charlton und Nobby Stiles nach großen Erfolgen zu den eher mäßig entlohnten.

Dunphy hat viel Sympathie und ein gutes Gespür für die Psychologie des Bergarbeitersohns aus Belshill in Schottland, kennt die Geschichte von Manchester und des Spiels auf dem Rasen, weiß um die Rolle des Profis im englischen Fußball und kann all das detailliert erzählen, ohne sich zu verlieren. A strange kind of glory ist eine selten gelungene Mischung aus Sachkenntnis, Passion und Distanz. Leider ist das Buch in deutscher Übersetzung nicht erhältlich — und einen ähnlichen Versuch über eine wichtige Figur des deutschen Fußballs gibt es bislang nicht. Christoph Biermann

Eamon Dunphy: A strange kind of glory. Sir Matt Busby & Manchester United. Heinemann, London. 404S., 14,99Pfund.

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