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Archiv-Artikel

WIR FANGEN UNS SCHON JETZT MAL AN, UNS AUF DEN SEPTEMBER UND THE SPECIALS ZU FREUEN Intellektuell und musikalisch sehr beeindruckend

VON JENNI ZYLKA

AUSGEHEN UND RUMSTEHEN

Jippie, The Specials kommen! Zwar erst im September, aber in Zeiten wie diesen sind so ein paar Monate hastunichtgesehn verflogen, also freut man sich am besten jetzt schon mal angemessen: „I like to venture into town / I like to get a few drinks down“, deklamiert Terry Hall, ehemals reizender Specials-Sänger in „Friday Night Saturday Morning“, und wird so zum Mottolieferant für den Freitagabend. „The floor gets packed, the bar gets full, I don’t like life when things get dull.“ Recht hast du, mein Freund, wer mag das schon.

Wir sind anfangs zwar Gäste drei und vier im Bassy, doch kaum hat man einmal den Strohhalm im Eis gedreht, brummt es schon wieder hinter einem, man sieht vor Stiefeln den Boden nicht, und ein Mädchen mit heißen Höschen, schicken Haaren und hohen Hacken windet sich um eine Stange – seit wann gibt es denn da so etwas? Und wie soll man das finden? Lustig, aber dass es verständlicherweise nicht einfach ist, den Groove der „Flamenco-Surf“-Instrumental-Band namens The Good The Bad aus Dänemark in Hüftschwungeinheiten zu übersetzen, denn, also ehrlich, diese drei Dänen haben doch mindestens studiert oder so was.

Sie sehen aus wie Pulp oder Suede, also dünengrashalmdünn, die glatten Haare fallen ins Gesicht, freie Sicht auf den Bauchnabel, wenn das zu kurze Jeansjäckchen beim Gitarrenhalsschwenken hochrutscht: intellektuell und musikalisch sehr beeindruckend, auf Dauer schweifen einem die Gedanken jedoch sanft in Richtung Pooldancerin davon – was macht die eigentlich da? Im Kreis um die Stange laufen, als wäre die ein Maibaum? Was sagt Terry Hall dazu: „Having fun and dancing in / a circle round their leather bags“. Was soll’s, diese jungen Leute, warum auch nicht.

Und das Hohe-Hacken-Problem ist ja kein neues, wir zum Beispiel schaffen es gerade mal über die Straße in die Diamond Lounge des White Trash Fast Food, wo eine irre One-Man-Hardrock-Garagen-Band namens Fredovitch spielt, „I choose to lose!“ brüllt, und dazu wahlweise zu Gitarrensamples trommelt, zu Drumsamples Gitarre spielt und so weiter. Praktisch, eigentlich, denn 1. verdient man mehr, 2. wird das Probenterminieren einfacher und 3. kann sich immer nur einer verspielen. Außerdem trägt der Solitaire-Franzose einen Bart, wie überhaupt das halbe Publikum, sodass wir fröhlich „3:0 für die Bärte!“ rufen, und es ansonsten wieder mit Terry Hall halten: „I sit and watch the flashing lights / moving legs in footless tights“. Später spielen noch die umwerfenden „The Purcells“, und wir sind baff, dass wir die Frage, ob man mit Lesebrille rocken kann, tatsächlich bejahen müssen. Danach legt King Khan Soul auf, und uns fehlt zwar etwas das tolle Fell, das er normalerweise neckisch über seinem Bauch trägt, aber dafür stehen unsere Füße (mit den hohen Hacken!) keine Minute still: „You might quit me / but you won’t forget me!“, schreit jemand, wer ist das? Keine Chance, durch die Touri-Bärte zum DJ-Pult durchzukommen, wir tanzen und trinken also einfach weiter.

„But two o’clock has come again / it’s time to leave this paradise“, gut, Terry, wir versuchen’s um drei Uhr noch mal im Kaffee Burger, aber da ist angeblich „die Gästeliste geschlossen“, oha und nun ja, wer nicht will, der hat schon, wir auch übrigens. Samstag geht darum auch gar nichts mehr, aber am Sonntag hält „die kleine Kneipe in unserer Straße“ her, und auch wenn es frevelhaft scheint, von Terry Hall so mirnixdirnix zu Peter Alexander überzuwechseln: „Dort in der Kneipe in unserer Straße / da fragt dich keiner, was du hast oder bist“, hat der mal gesungen, als es noch Molle mit Strippe anstatt Bionade hieß, wenn man es mal so richtig gemütlich haben wollte. Und weniger aufstoßen musste man damals auch.