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Archiv-Artikel

WENN DIE FRAGE NACH DEN EIGENEN WURZELN ZU EINER DER RICHTIGEN INTIMRASUR WIRD Die Muschi-Entscheidung

JACINTA NANDI

Ich habe mich entschieden, nicht mehr die Muschi zu rasieren“, informierte ich mal einen früheren Freund.

Ein bisschen Verzweiflung kroch in seine Augen. „Warum denn nicht?“, fragte er.

„Aus feministischen Gründen“, erklärte ich. „Das ist total unfeministisch, die Muschi zu rasieren, so auszusehen, als ob man ein kleines Mädchen wäre. Ich tue das nur aus Selbsthass.“

„Ich finde, dass man heutzutage Feministin sein kann und trotzdem rasiert. Das geht immer um die eigene persönliche Entscheidung.“

„Ja“, sagte ich. „Und ich habe mich entschieden, nicht mehr zu rasieren.“

Wisst ihr, ich hasse mich gar nicht, weil ich nichtweiß oder halb-indisch bin. Ich habe meinen ganzen Selbsthass dafür aufgebraucht, mich für das Schicksal des Frau-Seins zu hassen. Außerdem weiß ich nix über Indien. Wie sehr kann ich mich hassen für etwas, das mir völlig fremd ist?

Obwohl. Einmal in der Kneipe. Ich redete mit meinen Freunden und zwei deutschen Jungs.

„Das ist ein schöner Name!“, sagte ein Deutscher zu mir. „Jacinta. Es ist spanisch, oder?“

„Ja.“ Sagte ich.

„Und hast du spanische Wurzeln?“, fragt sein Freund.

„Nee“, sagte ich. „Rate mal.“

„Türkisch?“

„Nee.“

„Arabisch?“

„Nee.“

„Indisch“, sagte der erste Deutsche.

„Gut“, sagte ich.

„Weißt du, wie ich es gewusst habe?“

„Wie?“

„Weil du Haar auf deiner Stirn hast. Inder haben immer viel Haar auf dem Gesicht. Das haben nur Inder. Und auch so Koteletten.“

„Ich habe keine Koteletten.“

„Doch. Haben Inder immer. Total süß. Du sollst dich dafür nicht schämen.“

„Ich schäme mich dafür gar nicht“, gab ich trotzig zurück und fing an, mich zu betrinken. Als ich nach Hause total betrunken kam, entschied ich mich, mein haariges Gesicht zu reparieren. Ich benutzte die Kinderschere meines Sohnes, ging ins Badezimmer und attackierte meine Koteletten.

Mein Ex kam ins Badezimmer. „Was machst du?“, fragte er.

„Ich habe ein haariges Gesicht“, sagte ich.

„Hör auf“, sagte er. „Du siehst aus wie eine lesbische Neo-Nazi!“

DIE FÜNFTAGEVORSCHAU | KOLUMNE@TAZ.DE

Mittwoch Matthias Lohre Konservativ

Donnerstag Margarete Stokowski Luft und Liebe

Freitag Meike Laaff Nullen und Einsen

Montag Barbara Dribbusch Später

Dienstag Deniz Yücel Besser

Ich guckte mich im Spiegel an.

„Oh mein Gott“, sagte ich. „Ich sehe aus, als ob ich von einem Geisteskranken mit einer Kinderschere attackiert worden bin.“

„Das bist du auch. Aber der Geisteskranke bist du selbst.“

„Gott sei Dank“, sagte ich, „dass ich meine Stirn doch nicht rasiert habe. Wollte ich gerade machen.“

„Aber deine Muschi kannst du wieder machen“, sagte er. „Jetzt, wo du dabei bist.“

„Okay“, sagte ich, stieg in die Badewanne.

„Aber ich lasse so ’nen feministischen Streifen in der Mitte, okay?“

„Okay“, sagte er. „Das ist eine gute Kompromisslösung.“

Manchmal frage ich mich echt, warum unsere Beziehung gescheitert ist.