WBA-Titel im Schwergewichtsboxen: Hulk schlägt He-Man
Beim Zürcher Boxklamauk ist der Weltmeister von der Kondition seines steinalten Herausforderers überrascht.
BERLIN taz Zürich ist nicht gerade als das Boxmekka des alten Kontinents bekannt. Und doch wurden die Zuschauer im dortigen Hallenstadion Augenzeugen eines Faustkampfs um den WBA-Titel im Schwergewicht. Weltmeister Nikolai Valuev, bei dessen Anblick man zuerst immer versucht ist, zu denken "Seit wann ist Zinedine Zidane denn Boxer? Und wieso ist der plötzlich so groß?", stampfte ins Viereck, um dort auf Evander Holyfield zu treffen. Eine 46-Jährige Legende, die aber jünger und fitter aussieht als der elf Jahre jüngere Russe. Dominieren sonst Schlagzeilen über Form und sonstige Befindlichkeit des Titelverteidigers die Medien, war es in diesem Fall aber besonders die Zahl 46, also das schon boxgreisenhafte Alter des viermaligen Weltmeisters Holyfield.
Wer jedoch erwartet hatte, einen Frührentner mit der wenig adonisgleichen Figur eines pensionierten Briefträgers anzutreffen, sollte vehement eines Besseren belehrt (und eventuell auch enttäuscht) werden. "Ihm fehlt ein Stück Ohr - und viel Geld! Altmeister Evander Holyfield (46), der einst Multimillionär war, soll zehn Millionen Dollar Schulden haben. Und bevor die 109-Zimmer-Villa in einem Vorort von Atlanta gepfändet wird, lässt er sich lieber im WM-Kampf vom Russenriesen Nikolai Valuev (35) vermöbeln", schrieb die Branchenzeitschrift Hörzu zum Kampf.
Überraschte hier das Detailwissen über die Finanzen und Privatresidenzen Holyfields, hielt sich die Spannung beim geneigten und vor allem fachkundigen Beobachter doch irgendwie in überschaubaren Grenzen. Wieso redete eigentlich keiner mehr davon, dass die Möglichkeit eines Kampfs Valuev gegen Holyfield vom Management des Russen anfangs noch als "lächerlich" abgetan wurde? Hatten sich eventuell Rentnergewerkschaft und Pensioniertenberufsverbände bei "Sauerland Promotion" beschwert und ihren alten Kämpfer durchgesetzt? Diese Frage blieb auch nach dem Kampf offen.
Wäre Mario Barth ein guter Komiker, es würde reichlich Bühnenmaterial liefern, was der Berliner Spaßmacher da höchstselbst in der Arena sieht. Neben ihm sitzen der mit seiner Sonnenbrille verwachsene Claude-Oliver Rudolph und merkwürdigerweise auch Wir-sind-Helden-Sängerin Judith Holofernes. Dann wird Heiner Lauterbach eingeblendet, der aber eigentlich schon zum deutschen Boxinventar zählen sollte. Als die viel zu viel besprochene Sandy Meyer-Wölden gezeigt wird, sagt Reporter Andreas Witte in einem Anflug von Humor: "Hier kann sie sich in Ruhe neu umschauen."
Der Boxkampf an sich bot eigentlich immer wieder dasselbe. Valuev absorbierte ziemlich alles, was von unten auf ihn eingedroschen wurde, und setzte selbst spärlich bemessene Schläge auf den 23 Zentimeter kleineren Holyfield. Valuev bietet den Fans gern Kontinuität und gab ihnen auch in diesem Kampf die Möglichkeit, Holyfield, den - in diesem Fall - David mit He-Man-Figur gegen den wulstigen Hulk anzufeuern. Man hätte auch denken können, die ARD zeige einen von Valuevs älteren Kämpfen und würde mittels moderner Technik einfach einen früheren Gegner durch Bildmaterial des immer noch 46-jährigen Holyfield ersetzen. Kommentator Witte begann ungefähr ab Runde neun, ein äußerst knappes Gefecht herbeizureden, das Holyfield sogar noch gewinnen könne. "Ich habe ihn doch häufiger getroffen als er mich. Ich dachte, ich habe den Kampf gewonnen", stimmte später auch Holyfield selbst ein in diesen Sensationstenor.
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