WAZ-Lokalteile fallen weg: Raus aus der Provinz
Die WAZ-Gruppe will Redaktionen im Sauer- und Siegerland schließen oder zusammenlegen - und geht damit weit über ihre Ankündigungen hinaus.
Ganz verstummen wird sie nicht, die "Stimme der Heimat", wie sich die Westfalenpost (WP) mit einem guten Schuss Nachkriegspathos seit 1946 nennt. Und doch wird man sie in Teilen des Sauer- und Siegerlandes bald nicht mehr hören können: Seit WP-Chefredakteur Bodo Zapp vergangene Woche ausgeplaudert hat, dass die WP 5 ihrer 23 Lokalredaktionen schließen wird, ist die WP-Belegschaft in Aufruhr. Und nicht nur die. Auch beim Schwesterblatt Westfälische Rundschau (WR) grummelt es, scheint doch die Essener WAZ-Gruppe, zu der die Titel gehören, auf ihrem Sparkurs vor allem im Lokalen ordentlich zuzulangen.
Ennepe-Süd, Siegen, Soest, Warstein und Werl, das sind die betroffenen Redaktionen der WP. Die beabsichtigten Schließungen gingen weit über die avisierten Vorhaben hinaus, die im November vorgestellt worden seinen, schreibt WP-Betriebsrat Volker Dörken in einem offenen Brief: "Mit ihrem Vorgehen haben die Chefredaktion und die Geschäftsführung versucht, den Betriebsrat und die Belegschaft zu überrumpeln."
Auch bei der WR fühlen sich einige vor den Kopf gestoßen. Aus Siegen etwa, der größten Stadt in Südwestfalen, will sich die WAZ-Gruppe nach taz-Informationen ganz verabschieden, also WP und WR schließen. Die WAZ-Leitung muss sich also fragen lassen, wie sie das meinte: Man werde sich von keinem Ort komplett verabschieden.
Weiter nördlich, in Hagen, plant der Konzern offenbar ein "Dortmunder Modell": Dort wurden schon 2008 die Lokalredaktionen von WR und WAZ vereint. Seitdem bekommen auch WAZ-Leser den WR-Lokalteil, der von vier verbliebenen WAZ-Redakteuren hie und da mit Artikeln ergänzt wird. "Branding" heißt das im Konzernjargon, und nun sollen also wohl die Hagener WR-Leser den Lokalteil der WP bekommen, der noch auf WR "gebrandet" wird. Das Absurde dabei: Die WP steht für eine bürgerliche CDU-Klientel - während die WR als durch und durch SPD-nah gilt. "Wie das lokalpolitisch funktionieren soll", sei "völlig schleierhaft", heißt es in Hagen.
Bei den Überlegungen soll auch durchgespielt worden sein, die WR-Lokalteile in Lünen, Schwerte und Unna zu schließen, heißt es im Haus. Pikant: Der neue WR-Chefredakteur Malte Hinz war vor seinem überraschenden Aufstieg Lokalchef in Lünen. In den Lokalredaktionen wächst deshalb der Frust: Hinz sei wohl doch von der Konzernführung befördert worden, um den Sparkurs in Ruhe durchziehen zu können, sagt ein Insider.
Exkanzleramtsminister und WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach schreibt derweil mahnende Essays zur qualitativen Lage der Zeitungsnation - und macht Politik: Am Donnerstag debattierte der NRW-Landtag über eine Lockerung des Pressefusionsrechts; tags zuvor machte die WAZ-Gruppe der schwarz-gelben Landesregierung bereits den Hof: Den Antrag von CDU und FDP begrüßte sie mit einer langen Pressemitteilung. Die Opposition reagierte verdutzt. "Man fragt sich, wer den Antrag geschrieben hat", sagte Oliver Keymis von den Grünen: "War das die WAZ-Gruppe?"
Am heutigen Montag sollen die Betriebsräte von der Geschäftsführung erfahren, wie und wann die angekündigten 30 Millionen Euro gespart werden sollen. Einige Redakteure haben das sinkende Schiff bereits mit einem üppigen Carepaket verlassen. Wie viele genau, mag derzeit aber niemand sagen. Ob es angesichts der Hiobsbotschaften bei der Vollversammlung diese Woche so brav zugehen wird wie bisher, ist fraglich. "Das ist wie ein Dampfkochtopf hier", sagt ein WP-Redakteur. Es brodelt heftig.
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