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Archiv-Artikel

WATCHING OBAMA (7) Mit voller Kraft ins Unbekannte

Die meisten Lacher auf seiner Seite hatte auf der Brookings Conference „Energy Discovery – Innovation Institues: A Step toward Energy Sustainability“ Senator Sherrod Brown, als er ausrechnete, wie viele Quadratmeter Rockwolle und Styropor man brauche, um alle Häuser der USA zu dämmen und viele Arbeitsplätze das schaffen würde.

Ja, da lachten sie, die Spitzen der Wirtschaft und der Politik. An die tausend waren der Einladung des Thinktanks in den National Press Club Ballroom in die 14th Street gefolgt. Der Press Club ist so was wie die Gralsburg der Washingtoner Presselandschaft. Altehrwürdige Räume und Bilder mit allen Menschen, die im letzten Jahrhundert Rang und Namen hatten. Und so fehlte es auch nicht an Pathos und Eindrücklichkeit, mit der die Herausforderungen für einen Aufbruch in ein Zeitalter der erneuerbaren Energien beschrieben wurden.

Die verschiedenen Sprecher hielten kämpferische Reden, wie sie kein grüner Parteitag besser hingekriegt hätte. An Einsicht kein Mangel. „Der Klimawandel ist die größte moralische Herausforderung unserer Zeit“ war noch der Satz mit dem meisten Understatement. Und auch an deutlichen Worten über die Bush-Jahre fehlte es nicht. „Wir waren einmal Spitzenreiter in der Forschung und Technologie. Wie haben es versaut. Wir sind abgeschieden. Und wenn wir den Vorsprung der anderen Länder nicht bald aufholen, werden wir das Entwicklungsland des 21. Jahrhunderts“, donnerte Keith W. Cooley, CEO des Netzwerks Next Generation.

Da wurde es dann doch unruhig im Publikum. Denn was es erwartete, war die Aufbruch-Rhetorik des neuen Präsidenten, keine Schuldzuweisungen und schon gar kein Ausschluss aus dem großen amerikanischen Wir. Keiner im Raum stellte infrage, dass „wir es schaffen, wenn wir alle zusammen stehen und die Ärmel hochkrempeln“.

So weit, so gut. Nur was sie genau schaffen wollen, blieb ziemlich unklar. Die USA wollen sich nicht abhängen lassen. Sie haben mit dem Regierungsantritt von Obama die erneuerbaren Energie als Zukunft ihres Wohlstands entdeckt. Für die unter Bush so mächtige Lobby der Ölkonzerne ist das eine schlechte Nachricht. Andererseits ist der ganze Stil der neuen Administration nicht gegen jemanden gerichtet, sondern auf die Teilnahme aller angelegt. Soll heißen: Exxon und Total sollen Solarparks bauen, dann sind sie im Boot.

Von der deutschen Energiediskussion kommend, erscheint das irgendwie naiv. Zuerst dachte ich, es ist die verlorene Zeit der Bush-Jahre, es sind sozusagen Anfängerfehler, dass auf einer solchen Konferenz nicht komplexer und strittiger diskutiert wird, über CO[2]-Steuer und Emissionshandel, ob man Zertifikate verschenken oder versteigern soll, ob Kohle rentabel bleibt, ob man Atomenergie zum Häuserheizen braucht, wie man den Verbrauch im Straßenverkehr einschränkt, und so weiter. Aber es ist nicht mangelnde Einsicht in die Problemkomplexität, sondern Gleichgültigkeit den Problemen gegenüber. An ihnen hält sich keiner auf. Sie werden gelöst werden. Das ist so faszinierend wie verstörend. In Deutschland läuft es anders herum.

Das politische, demokratische Washington hat ein Ziel erkannt und benannt. Bis 2050 sollen 80 Prozent CO[2]eingespart werden, die gesamte Wirtschaft neu ausgerichtet werden. Jetzt haken sich alle unter und machen sich auf den Weg. Der richtige wird sich zeigen, wenn man erstmal unterwegs ist.

Fotohinweis:ROBERT HABECK, 39, ist Schriftsteller und Parteichef der Grünen in Schleswig-Holstein. Derzeit besucht er Washington auf Einladung der Heinrich-Böll-Stiftung. FOTO: DPA