WAS ZU TUN IST : Übermorgen
In meinen To dos, die ich mir nie aufschrieb, dachte ich lächerlich linear und hierarchisch, also so, dass ich meinte, in allen Dingen unbedingt in einer bestimmten Reihenfolge vorgehen zu müssen, nicht den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun. Erst Kaffee trinken, Zeitung lesen, dann diesen Text schreiben, dann die Zahnärztin anrufen, Miete überweisen, jene Rechnung stellen, die Mail von F. beantworten, Mittagessen, Fahrradreifen aufpumpen, Waschmaschine starten, Essen kaufen und so weiter.
Ich war selbst ganz erstaunt und erschüttert über die vielen Sachen, die ich eigentlich tun müsste, aber nicht tat. Oder nur ein bisschen. Kein Wunder, dass das nichts wird! Dann öffnete ich den Brief des Finanzamts, der sich irgendwann im Sommer auf meinem Tisch versteckt hatte. Die mir gesetzte Frist zur Abgabe meiner Steuererklärung war vor drei Monaten abgelaufen. Ich ging zum Finanzamt, um mir Steuerformulare zu holen. Weil das Finanzamt zu war, ging ich nach Karstadt, wie ich so oft, entschlossen, mein Leben und die Wohnung aufzuräumen, nach Karstadt gegangen war. Um mir neue Fernseher, Füller oder Vorhänge zu kaufen. Oder englische Chips, Sekt, Champagner oder Matjessalat. Bei Karstadt dachte ich an Nicolas Berggruen und wie wir uns einmal beinahe angefreundet hätten. Vielleicht bilde ich mir das auch ein; aber vor einem Jahr war mir Nicolas Berggruen bei Facebook tatsächlich als Freund vorgeschlagen worden. Und ich hatte darüber nachgedacht, auch weil ich auf Wohnungssuche war, ihm eine Freundschaftsanfrage zu schicken, es dann aber doch nicht gemacht. Bei Karstadt kaufte ich mir neue Fußballschuhe. Sie sind aus Plastik, aber trotzdem schön. Mein Spiel würde sich um fünf Prozent verbessern. Mit der Steuererklärung würde ich morgen anfangen. Oder übermorgen. Oder überübermorgen. Dann aber bestimmt.
DETLEF KUHLBRODT