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Archiv-Artikel

WAS PASSIERT, WENN DIE POLITIKER DAS TUN, WAS WIR FORDERN? Unser täglich Kopenhagen

Politikwissenschaftler und Autor von „Das Ende der Welt, wie wir sie kannten“ Morgen: Peter Unfried

CLAUS LEGGEWIE

Kopenhagen beginnt und die Menschheit träumt. Die Verhandlungsdelegationen, die am Flughafen und Hauptbahnhof ankommen, haben Minderungsziele und Finanzierungszusagen im Gepäck, die Staats- und Regierungschefs, die in den nächsten Tagen einschweben, werden sich fest in die Augen schauen – und die Rettung der Welt vereinbaren.

Die Bundeskanzlerin schaut bei der Ausfahrt aus dem Flughafen kurz nach rechts aus dem Fenster. Da sieht sie ihr Konterfei, schuldbewusst und vergrämt. Der Bildkommentar sagt, im Rückblick von 2020: Damals hätte ich das Weltklima retten können, aber ich wollte nicht und habe lieber auf die Berater aus der Autoindustrie gehört. Das darf nicht sein, sagt sie sich und gibt sich einen Ruck – Deutschland und die EU legen noch mal ein paar Prozent Reduktion und Cash drauf. Ohne Bedingungen. Das Karussell läuft in die richtige Richtung.

Das gibt ein wunderbares Gruppenfoto, noch schöner als seinerzeit im Riesenstrandkorb von Heiligendamm. Die Autonomen ziehen ohne Randale frustriert ab, die Nichtregierungsorganisationen machen sich an die Arbeit, die Automobil- und Energiekonzerne haben ein Einsehen. Einen fertigen Vertrag wird es noch nicht geben, aber die Reduktionsziele werden so festgezurrt, dass keiner mehr zurückkann. Im Juni verkündet Merkel in Bonn den Erfolg.

Ein paar Dinge müssen noch geregelt werden: Der Emissionshandel muss perfektioniert werden, Wind-, Solar- und Biomasse-Energien müssen wirklich funktionieren. Am Sonntag bin ich mit dem Elektroauto durch Kopenhagen gefahren, nach kurzer Strecke war die Batterie leer und der Stecker passte nicht in die öffentliche Ladestation am Rathaus, wo übrigens eine Klima-Kunst-Aktion die Zufahrt zu derselben versperrte. Aber auch das wird sich einruckeln, wir haben das Auto am Hotelstecker aufgeladen und sind mit gutem Gewissen zur Meerjungfrau und an den Öresund gedüst. Die Fahrt im E-Mobil erinnert an einen Autoscooter und der hört sich an wie ein Trolleybus. An den Kreuzungen muss man aufpassen, weil Radfahrer und Fußgänger einen nicht kommen hören.

Wenn in Kopenhagen alles in trockenen Tüchern ist, muss man schnell wieder aufwachen. Denn wenn die Oberhäupter der Welt tatsächlich tun, was wir von ihnen fordern, wird es ganz eng für uns. Wir müssen unser tägliches Kopenhagen vorbereiten, müssen die Reduktion der Treibhausgase selbst in unsere Hände nehmen, auf Individualverkehr, den Rindfleischverzehr und einiges mehr verzichten. Es wird nicht mehr möglich sein, von „der Politik“ zu verlangen, wozu wir selbst nicht willens oder in der Lage sind. Dann heißt es zur Rettung des Klimas nicht mehr: Es geht nicht. Sondern: Ich will nicht.