WAS BISHER GESCHAH (2) : Vergebliche Verrenkungen
Mit über 400 Filmen und mehr als 4.000 akkreditierten Journalisten aus aller Welt verfügt die Berlinale über eine beeindruckende Außenwirkung. Als Publikumsfestival, das sich – anders als die meisten A-Festivals – explizit auch an branchenferne Zuschauer richtet, sind die Filmfestspiele als Ereignis in der und für die Öffentlichkeit bestens verankert.
Doch handelt es sich dabei lediglich um die berühmte Spitze des Eisbergs. Umfangreicher und im Programm deutlich ausdifferenzierter ist der jährlich stattfindende European Film Market. Früher noch in Sichtweite direkt neben dem Berlinale-Palast im debis-Haus gelegen, jetzt, etwas abgetrennt vom Gewusel auf dem Filmplanet Potsdamer Platz, im fußläufig gut erreichbaren Martin-Gropius-Bau. Doch auch dessen großzügigere Räumlichkeiten bieten dem aus allen Nähten platzenden Filmmarkt kaum mehr den benötigten Platz: Seit 2009 bietet deshalb auch das Marriott-Hotel den oft aufwändigen Ständen der Filmverkäufer Raum zur Präsentation ihrer Ware – mit Clips, oft aus noch nicht fertiggestellten Produktionen für die zur Finanzierung lebenswichtigen Vorabverkäufe, farbenfrohem Promomaterial und geschäftsmäßig guter Laune.
Hier kommen Rechtehändler, Produzenten, Verleiher und Festivalkuratoren ins Gespräch, hier sichert man sich Auswertungs- und Aufführlizenzen. Über die Höhe der Umsätze schweigt man sich aus. Schätzungen gehen von Beträgen in dreistelliger Millionenhöhe aus. Auch für das Festival ist dieser Business-Buzz lukrativ: Akkreditierungen, Stand- und Screeninggebühren schlagen teuer zu Buche. Kann man ihm ansonsten viel vorwerfen – unter Dieter Kosslick erlebte der European Film Market einen beeindruckenden Boom. Weshalb der langjährigen Leiterin Beki Probst seit 2013 die Co-Direktorin Andrea Kaul zur Seite steht.
Angesichts vieler fader Themenabend-Filme auf dem Festival sehnt sich mancher Journalist nach der mitunter chaotischen, aber gerade auch deswegen verlockenden Fülle des Filmmarkts. Über 1.000 Vorführungen und mehr als 800 Titel bilden die Bandbreite des Kinos zwischen Horror-Trash, Arthouse-Insider-Tipp und Blockbusterkino aus Fernost zwar deutlich variantenreicher ab als die Filme im Rennen um den Goldenen Bären. Doch auch wenn die Vorführungen oft nur einen Saal weiter stattfinden, sind sie den Journalisten mit ihren roten Badges nur nach größeren, oft vergeblichen Verrenkungen beim zuständigen Filmhändler zugänglich. Mit denen kommt man an den Ständen dafür umso schneller ins Gespräch. Oft verlässt man die Ausstellungsräume dann mit einigen Kilo Promomaterial in der grauen Berlinale-Umhängetasche. Denn: „Die Presse ist uns wichtig“, wie ein Händler mit breitem Grinsen sagt. THOMAS GROH