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Archiv-Artikel

WARUM WIRD MAN EIGENTLICH EU-KORRESPONDENT? Aus Leidenschaft

europa@taz.de

Bonse fragen

Ganz ehrlich: Ich wäre lieber in Paris geblieben. Dort hat meine Korrespondentenzeit 1994 begonnen, an der Seine hatte ich mit netteren Themen zu tun. Die uneheliche Tochter von François Mitterand, Claudia Schiffer und ihr Magier! Doch in Paris habe ich meine Leidenschaft für Europa entdeckt, und so führte mein Weg nach Brüssel.

Dabei wollte ich nie EU-Korrespondent werden. Ich bin zwar überzeugter Europäer – doch die EU mit ihren Richtlinien und Verordnungen, mit ihren Beamten und Politrentern war eigentlich nicht mein Ding. Wer als Korrespondent in Paris arbeitet, hat mit Land und Leuten zu tun. Wer aus Brüssel berichtet, muss sich mit juristischen und technischen Details herumschlagen.

Aber 2004, als ich im Europaviertel ankam, war dort viel los. Der Konvent für einen europäischen Verfassungsvertrag war gerade vorbei, die Vereinigten Staaten von Europa schienen in greifbarer Nähe. Das „alte Europa“ empörte sich über den Irakkrieg; Chirac und Schröder dachten über Alternativen zur Nato nach. Irgendwie war es doch toll, das alles aus der Nähe zu beobachten, zumal die EU auf einen Schlag zehn neue Mitglieder bekam. In der EU-Kommission wurde fast nur Englisch gesprochen, auf der Place Schuman herrschte kosmopolitisches Sprachgewirr. Das Raumschiff Brüssel hatte ein menschliches Gesicht.

Zwei Krisen weiter (Finanz- und Eurokrise) ist es nicht mehr so einfach, die Frage zu beantworten, warum man noch hier ist. Hunderte von Journalisten wurden aus Brüssel abgezogen, das EU-Pressekorps ist geschrumpft. Ein Gemeinschaftsgefühl gibt es nicht mehr. Während man früher noch auf ein Gläschen mit französischen oder britischen Kollegen zusammenstand, läuft heute fast alles über nationale Klüngelgruppen. Die Renationalisierung ist mit Händen greifbar. Wenn ich trotzdem in Brüssel geblieben bin – dank der taz, und ein bisschen auch aus Sensationslust: Mal sehen, ob und wie diese EU untergeht. Doch auch dieses Gefühl, das auf dem Höhepunkt der Eurokrise 2012 verdammt präsent war, ist schon wieder verflogen.

Warum bin ich EU-Korrespondent? Heute gibt es eine neue Antwort: Weil endlich ein neues Parlament gewählt wird, weil endlich neue Politiker kommen. Am Ende ist die Zeit lang geworden unter Barroso, dem wohl schlechtesten Kommissionschef aller Zeiten. Die Bürger haben das Wort. Wenn sie ihre Chance nützen, macht es bestimmt wieder mehr Spaß, über die EU zu schreiben. ERIC BONSE