Vorwurf der Völlerei: Zentrum für Türkeistudien ist empört
Fördergelder versoffen? Zentrum für Türkeistudien will Anklage des NRW-Rechnungshofs am Montag entkräften.
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KÖLN taz Faruk Sen ist aufgebracht. "So viel Schmutz auf einmal, das haben wir nicht verdient", sagt der Leiter des Essener Zentrums für Türkeistudien (ZfT). Anlass für seine Empörung ist ein jetzt an die Öffentlichkeit gelangter Sonderbericht des nordrhein-westfälischen Landesrechnungshofs, der dem renommierten Institut ein verheerendes Zeugnis ausstellt: In erheblichem Maß sollen Fördermittel des Landes zweckentfremdet worden sein. Sen sieht sich zu Unrecht an den Pranger gestellt.
Stichprobenartig hatte der Landesrechnungshof zwölf ZfT-Projekte der vergangenen zehn Jahre mit einem Gesamtvolumen von 5,6 Millionen Euro überprüfen lassen. Fazit: "Die Grundsätze der Notwendigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit wurden eklatant verletzt." So soll es in dem 1985 gegründeten Zentrum, das an die Universität Duisburg-Essen angeschlossen ist, bisweilen recht feuchtfröhlich zugegangen sein. "Besonders bemerkenswert ist, dass die Projektarbeit augenscheinlich nur mit einem guten Essen - begleitet von alkoholischen Getränken - erledigt werden konnte", heißt es geradezu süffisant in dem 21-seitigen Bericht. Viele Belege wiesen "einen erstaunlichen Anteil alkoholischer Getränke - insbesondere im Verhältnis zu den bewirteten Personen - auf".
Bei einem Besuch des türkischen Generalkonsuls 1998 hätten vierzehn Personen insgesamt 17 Flaschen Wein, zwei Pils, drei Campari und einen Martini auf Institutskosten konsumiert, listen die Rechnungsprüfer auf. Bei einem Essen für 16 Personen ohne nachvollziehbaren Bewirtungsanlass seien 42 Menüs, zwölf Flaschen Wein und jede Menge Hochprozentiges konsumiert worden. Auch sonst soll das Institut nicht knauserig gewesen sein: Für ein Symposium im "Robinson Club" im türkischen Belek habe es fast 6.000 Euro nur für die Flugkosten lockergemacht. Bei 93 Rechnungen über insgesamt gut 53.000 Euro habe jeglicher Nachweis gefehlt, dass es sich wirklich um eine Bewirtung handelte. Insgesamt soll das ZfT von 1998 bis 2005 stolze 1,26 Millionen Euro für Reisekosten, Bewirtungen und Veranstaltungen ausgegeben haben. Das wären 40 Prozent der gesamten Projektkosten.
Erstaunt zeigt sich der Landesrechnungshof auch über die Alimentierung des ZfT-Führungspersonals: "Das Gehalt und die Nebenleistungen (Direktversicherung, Firmenwagen, Altersvorsorge, Urlaubsübertragung) für den Direktor und seine Stellvertreter liegen deutlich über der vergleichbaren Vergütung für Bedienstete des Landes", heißt es. Weiter kritisieren die Prüfer, mit Projektgeldern seien vertragswidrig Schulden abgebaut worden, es hätten auch auf Nachfrage "keine Nachweise über Inhalt und zeitlichen Umfang der Beratungen" von türkischstämmigen Existenzgründern vorgelegt werden können und es seien Mitarbeiter ohne ausreichenden Qualifikationsnachweis beschäftigt worden.
Für Faruk Sen ist die Kritik des Rechnungshofes völlig unverständlich. "Sämtliche Vorwürfe weisen wir entschieden zurück", sagte der 59-jährige Institutsleiter der taz. Bei der Arbeit des ZfT sei "immer auf die Wirtschaftlichkeit geachtet" worden. Zu Einzelheiten wollte er sich nicht äußern. Am Montag werde der Vorstand des Zentrums jedoch detailliert zu den Anwürfen Stellung nehmen. "Wir haben alle Belege in der Hand", sagte Sen. Das wird auch nötig sein. Denn die zuständigen Ministerien haben bis zur Klärung erst mal ihre Förderung des Zentrums auf Eis gelegt. Der Haushalts- und Finanzausschuss des Landtags wird sich am Dienstag mit den Vorwürfen beschäftigen.
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